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OB-Wahl in Neubrandenburg

„Leichter“ Männerüberschuss

Am 11. Mai wählt die Vier-Tore-Stadt einen neuen Oberbürgermeister. Es bewerben sich neun Männer. Wir stellen alle Kandidaten vor.
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Die Grafik zeigt in welches politische Spektrum sich die Kandidaten zur Bürgermeisterwahl Neubrandenbirg einsortieren.

Frank Benischke – CDU:

Der 61-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft Neuwoges. Weil er die Vermietung von betrieblichen Räumen an die CDU nicht abgerechnet hatte, wollte ihn der mittlerweile zurückgetretene OB Silvio Witt (parteilos) eigentlich entlassen. Die Stadtvertretung stimmte aber dagegen. Politisch war Benischke zu DDR-Zeiten als Politoffizier der Nationalen Volksarmee und SED-Funktionär tätig.1 Mittlerweile sitzt er für die CDU im Kreistag, ist ebenso Vizepräsident der IHK Neubrandenburg und Präsident des Sportvereins SC Neubrandenburg.2

Als Oberbürgermeister möchte er sich zuerst den Grundschulneubauten in der Süd- und Weststadt widmen. Auch den Neubau einer Schwimmhalle befürworte er. Für eine bürgerfreundliche Verwaltung fordert Benischke mehr digitale Möglichkeiten und kürzere Bearbeitungszeiten. Die Regenbogenflagge am Bahnhof zu hissen, lehne er ab, weil es dazu einen Beschluss der Stadtvertretung gebe. Zum Gendern äußert er sich nicht eindeutig und beruft sich lediglich auf die Regeln der offiziellen Rechtschreibung.

Zu wenig Aufmerksamkeit bekommt seiner Ansicht nach die Gründerszene. Daher möchte er das Technologie- und Gründerzentrum wiederbeleben. Vielversprechend dagegen sei die vielfältige Sport- und Vereinslandschaft mit über 14.500 Mitgliedern. Hier sieht Benischke auch Verbesserungspotenzial bei sich selbst: Künftig möchte er mehr Sport treiben.3

Tim Großmüller – Einzelbewerber:

Der 45-Jährige war bis 2023 Mitglied der Fraktion Bürger für Neubrandenburg und ist seitdem mit einer eigens gegründeten Wählergemeinschaft namens Stabile Bürger politisch aktiv. In den Sozialen Medien äußert er sich homophob und teilt Inhalte mit rechten Ideologien.4 Er brachte im Oktober 2024 den Antrag zum Verbot der Regenbogenflagge vor dem Bahnhof ein.5 Anfang diesen Jahres war er in eine Schlägerei auf offener Straße verwickelt.6

Nach Erhalt unserer Fragen lehnte Großmüller telefonisch eine Beantwortung ab.7

Nico Klose – Einzelbewerber:

Der gebürtige Neubrandenburger ist dort auch aufgewachsen. Seit 2012 wohnt der 38-Jährige im knapp neun Kilometer entfernten Neverin (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte), dessen ehrenamtlicher Bürgermeister er seit sechs Jahren ist.8 Seit 2024 ist Klose zudem Kreistagsmitglied der Mecklenburgischen Seenplatte und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Mecklenburg-Vorpommerschen Verkehrsgesellschaft. Der noch amtierende Bürgermeister Silvio Witt (parteilos) unterstützt seine Kandidatur.9

Die Stadtverwaltung laufe in großen Teilen schon ganz gut, findet er. Im digitalen Bereich gehe es voran: So ist Neubrandenburg Pilotkommune für die digitale Bauakte. Das will Klose mit weiteren Onlineservices sowie schlankeren Verwaltungsprozessen weiter ausbauen. Als Bürgermeister würde er aber zuerst kommunikativ aufräumen: „Vor der Sacharbeit kommt der Dialog, das hat die Stadt bitter nötig, sowohl im gesellschaftlichen als auch im politischen Raum.“

Beim Schwimmhallenneubau bedürfe es eines zeitgemäßen Angebots, um das Projekt voranzubringen. Klose spricht sich gegen sprachliche Vorschriften in der Verwaltung aus, nutze selbst am liebsten die Formulierung „Bürgerinnen und Bürger“. Und er kenne kein sachliches Argument, das gegen eine Regenbogenflagge auf dem Bahnhofsvorplatz sprechen würde.

Für sich selbst möchte er seine Französischkenntnisse verbessern.10

Tobias Köhler – Einzelbewerber:

Der 24-Jährige ist Neuling in der Stadtpolitik. Neubrandenburg sieht er als eine besonders offene Stadt.
Zu wenig Aufmerksamkeit bekommt für ihn das Neubrandenburger Lokschuppen-Areal. Der Neubau der Schwimmhalle ist für ihn schon lange überfällig. Was er als Oberbürgermeister thematisch als Erstes angehen würde, lässt Köhler konkret allerdings noch offen: „Das, was den Bürgerinnen und Bürgern am wichtigsten ist in Neubrandenburg, denn ich möchte Politik für unsere Bürgerinnen und Bürger vollziehen und nicht, um meine Ziele als Erstes umzusetzen.“

Die Verwaltung will er mit „aufmerksamem Zuhören und schnellen Lösungen statt Abspeisung“ bürgerfreundlicher machen. Die Regenbogenflagge am Bahnhof muss für Köhler nicht durchgängig gehisst werden, allerdings sei sie zu besonderen Anlässen wichtig. Auch das Gendern in der Verwaltung ist für ihn kein Muss. Die Sprache sollte aber inklusiv sein.

Auf die Frage, wo er sich selbst verbessern will, entgegnet er: „Man lernt nie aus.“11

Jens Kreutzer – BSW:

Der 48-Jährige ist Vizepräsident der Stadtvertretung und Vorsitzender des Finanzausschusses.12 Um die Verwaltung zu verbessern, braucht es aus seiner Sicht mehr digitale Angebote und weniger Bürokratie.

Zu wenig Aufmerksamkeit bekommt für Kreutzer die touristische Entwicklung des Kulturparks und des Tollensesees – zum Beispiel mit mehr Gastronomie. Als erstes Thema aber würde er als OB „die Sicherheit und Ordnung auf dem Marktplatz“ angehen. Dem Schwimmhallenneubau stimme er nur mit Fördermitteln zu, plädiert ansonsten dafür, die alte „fit zu machen“.

Am Bahnhof sollte die Flagge der Stadt wehen, andere, wie die Regenbogenflagge, könnten an anderen Orten gehisst werden, findet er. Auch Gendern in der Verwaltung lehnt er ab und beruft sich auf den Rat für deutsche Rechtschreibung.

Verbessern möchte sich Kreutzer in Geduld und handwerklichem Geschick.13

Ralph-Jörn Kurschus – Einzelbewerber:

Kurschus wurde 1966 in Neubrandenburg geboren. Verlassen hat er die Stadt vorübergehend in Richtung „Lehrlingswohnheime, Kasernen und Studentenunterkünfte“, wie er sagt. Seit 1994 ist Burg Stargard sein Wohnort, sein Arbeitsplatz Neubrandenburg.

Die Digitalisierung in der Stadtverwaltung sei auf einem guten Weg. Allerdings müssten auch diejenigen beachtet werden, „die nicht damit umgehen können“. Dafür schlage er Bürgerzentren vor, deren Konzept es allerdings schon gibt.

Der „Reichtum“ der Stadt zeigt sich für Kurschus in ihrer lebendigen Kultur und der künstlerischen Vielfalt. Für ihn habe die Stadt viele Entwicklungsmöglichkeiten, beispielsweise den Tollensesee besser zu nutzen und zu vermarkten: „Erschließen wir den See touristisch und ziehen auch eine Wohnbebauung in Betracht.“ Nur den Fokus auf die Innenstadt zu legen, halte er für nicht ausreichend. Auch müssten mehr Unternehmen angesiedelt werden. Als Wirtschaftsanwalt sei er der geeignete Vernetzungspartner.

Er kenne keine Berührungsängste und fordert, dass „gedankliche Grenzen“ auch mal zu überschreiten seien. Allerdings ist Kurschus dagegen, die Regenbogenflagge am Bahnhof zu hissen, und hält nichts vom Gendern. Einem Schwimmhallenneubau steht er skeptisch gegenüber.

Während er nach eigenen Angaben sein Potenzial beim Fußball „wohl ausgeschöpft“ hat, sehe er beim Bankdrücken noch Möglichkeiten. Ebenso arbeite er „unverdrossen“ an seinen Englischkenntnissen.14

Sascha Lübs – Einzelbewerber:

In Neubrandenburg geboren, ist der heute 44-Jährige vor sieben Jahren wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Gegangen sei er, um „beruflich die Fühler auszustrecken“.

Dank seines „verwaltungsintensiven Berufs als Sozialpädagoge“ habe er schon einige Erfahrungen in administrativen Angelegenheiten sammeln können. Daher will er im Falle seiner Wahl zum OB die Bürger:innenfreundlichkeit erhöhen, indem er selbst in einzelnen Abteilungen hospitiert und Verwaltungsprozesse begleitet.

Zu wenig Aufmerksamkeit bekommen für Lübs der Schwimmhallen- und der Schulneubau. Sein Wunsch ist es, irgendwann mal zwei Bahnen in der neuen Neubrandenburger Schwimmhalle tauchen zu können. Die sollen dann länger sein als bisher. Thema Nummer eins als Stadtoberhaupt wäre für ihn allerdings zunächst die Verabschiedung des Haushalts, „um den Bürger:innen, Vereinen und Initiativen der Stadt Sicherheit zu geben“.

Die Regenbogenflagge gehöre spätestens seit der vergangenen Kontroverse wieder am Bahnhof gehisst – für Lübs „eines der eher peinlichen Kapitel der Stadtgeschichte“. Er werde zudem jeden und jede „so gendern, wie alle gegendert werden möchten“.15

Olaf Schümann – Werteunion:

Der gebürtige Neubrandenburger gibt an, alle Bäume der Stadt mit Vornamen zu kennen, und sieht sich als „Schweiz unter den Kandidaten“. Er organisierte 2023/24 für den Verein Land schafft Verbindung Bauernproteste in ganz MV mit.16 Laut Impressum ist er außerdem stellvertretender Vorsitzender des extremistisch beeinflussten Unternehmeraufstand MV.17 Als Mitglied des Neubrandenburger Friedensbündnis demonstriert er mit Querdenker:in.18 Von seinem Parteikollegen und ehemaligen Verfassungschutzchef Hans-Georg Maaßen wurde Schümann im Wahlkampf unterstützt.19 Maaßen wird inzwischen selbst vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist beobachtet.20

Um die Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen, spricht sich Schümann für eine Art „Drive-in“ für Anträge aus und für neue demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten per App.

Seine erste Amtshandlung als Oberbürgermeister wäre, jeden Monat 1.000 Euro für Jugendprojekte zu spenden. Aber auch für Ärzt:innen müsse die Stadt attraktiver werden, fordert er. Dazu brauche es Anreize. Der Schwimmhallenneubau sollte günstiger sein als bisher geplant. Statt einer Regenbogenfahne würde er am Bahnhof die Friedensfahne hissen, „weil sie bunt ist, keinen Shitstorm auslöst und alle einschließt, außer schlechte Laune“.

Verbessern möchte er sich im Multitasking – „damit ich meinen Kaffee genießen kann, während ich telefoniere und gleichzeitig noch konzentriert an Impulsen für Neubrandenburg arbeite“.21

Stefan Schwabbauer – Einzelbewerber:

Schwabbauer ist 54 Jahre alt und Leiter einer Welszucht in Altkalen. Erfahrungen in der Kommunalpolitik hat er noch keine. Nach eigenen Angaben dafür allerdings umso mehr in Sachen wirtschaftlicher Verwaltung durch sein eigenes Unternehmen.

Als Oberbürgermeister stünde für ihn das Thema Bildung an erster Stelle. Zu wenig Aufmerksamkeit bekommt seiner Meinung nach die Bürgerstiftung der Stadt. Ein Schwimmhallenneubau sei nötig, aber nur, wenn es sich mit dem städtischen Haushalt vereinbaren lässt. Um die Verwaltung bürgerfreundlicher zu gestalten, wünscht sich Schwabbauer mehr Transparenz, Zugänglichkeit und Serviceorientierung, ohne komplizierte Formulierungen. Dazu eine benutzerfreundliche Website und Digitalisierung. Persönlich gendert er nicht, habe aber „vor jedem Respekt, der es macht oder darauf Wert legt“.

Verbessern möchte sich Schwabbauer bezüglich seiner Ungeduld.22

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Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

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