Containerhafen Swinemünde

Fakten schaffen auf Wollin

Die ersten Verträge sind unterzeichnet, das umstrittene Containerterminal in Swinemünde wird immer wahrscheinlicher. Die Gemeinde Heringsdorf will noch in diesem Jahr gegen das Vorhaben klagen.

Die polnische Regierung drückt aufs Gaspedal: Vor wenigen Tagen, am 25. Juli, unterzeichnete das Seeamt von Stettin mit der EU einen Vertrag über die Finanzierung einer Fahrrinne als Zufahrt zum Swinemünder Außenhafen auf der Halbinsel Wollin, gegenüber von Usedom. 17 Meter tief, 500 Meter breit soll die Rinne werden. Für das Vorhaben sind 1,6 Milliarden Euro Kosten veranschlagt, davon würden 600 Millionen aus EU-Mitteln finanziert. Die Zufahrt soll zu dem geplanten, aber höchst umstrittenen Containerhafen von Swinemünde führen.

MVs Landesregierung müsste beteiligt werden. Eigentlich

Der Hafen könne laut der polnischen Regierung sogar dem Hamburger Hafen Konkurrenz machen. Zudem könne er der zweitgrößte Hafen der ganzen Ostsee werden, nach dem Hafen in Danzig. Bereits jetzt aber sorgt der Containerhafen für Unfrieden zwischen Polen und Mecklenburg-Vorpommern. Und das seit Monaten.

Denn eigentlich ist bei grenznahen Projekten innerhalb der EU ein binationales Umweltverträglichkeitsgutachten vorgesehen. Schwerin müsste also beteiligt werden. Eigentlich. Statt aber, wie nach EU-Recht vorgeschrieben, mit der Landesregierung ein gemeinsam erstelltes Umweltgutachten zu erarbeiten, kam aus Polen Anfang des Jahres ein auf eigene Faust erstelltes. Dieses Gutachten ist allerdings inhaltlich und handwerklich fragwürdig. Es soll auf 118 Seiten belegen, dass das Terminal keinerlei Umweltauswirkungen über die Landesgrenze hinaus haben werde.

Polnische Regierung macht Ernst

Nun schafft die polnische Regierung Fakten. Und der Vertrag über die Fahrrinne ist nicht der erste, mit dem Warschau klarstellt, dass es Ernst machen will: Anfang Juli unterzeichnete ein Konsortium aus der belgischen DEME-Gruppe und dem katarischen Q-Terminals einen Vorvertrag über die 30 Jahre laufende Verpachtung eines Grundstücks im Swinemünder Außenhafen, um dort den Containerhafen zu errichten. Der endgültige Kontrakt soll folgen, wenn die Finanzierung sichergestellt und die Umweltentscheidung, die vom Abschluss des grenzüberschreitenden Verfahrens mit der deutschen Seite abhängt, getroffen ist.

Als Reaktion auf die Proteste aus Deutschland hatte Marek Gróbarczyk, Staatssekretär für Infrastruktur, im April angekündigt, die Zufahrt zum Hafen nach Osten zu verlegen, damit keine deutschen Hoheitsgewässer mehr gequert werden müssen. Nach seiner Auffassung wäre eine Beteiligung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung dann nicht mehr erforderlich.

„Die Vorstellung, dass man durch eine Verlegung der Einfahrtsrinne um ein paar Kilometer die binationale Umweltverträglichkeitsprüfung für das ganze Projekt umgehen könne, ist völliger Unsinn“, entgegnet Rainer Sauerwein, Sprecher der Bürgerinitiative Lebenswertes Vorpommern.

Kampf David gegen Goliath

Seitdem die Pläne für den Containerhafen bekannt geworden sind, setzt sich Sauerwein gegen das Projekt ein. Anfangs noch gemeinsam mit einer polnischen Bürgerinitiative, die aber vermutlich auch wegen des großen politischen Drucks aufgeben musste.

Ihm und seiner Initiative geht es in erster Linie um die befürchteten Umweltauswirkungen des Terminals. Sauerwein verweist auf ein Gutachten aus dem Frühjahr 2022: „Die Auswirkungen des Terminals würden weit über die Staatsgrenze hinausgehen, unabhängig davon, wo die Zufahrt sich befindet.“ Er sieht es so: Die Vertragsunterzeichner:innen verstießen gegen bilaterale Verträge, gegen internationales Recht und gegen EU-Recht.

Lebenswertes Vorpommern hatte bereits 2020 eine Eingabe beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments gemacht. Die Petition sei angenommen worden, ruhe aber, solange sich auf der polnischen Seite nichts bewege, sagt Sauerwein. Da jetzt der Vorvertrag mit den Investoren unterschrieben sei, werde der Ausschuss die Petition erneut behandeln.

Dass die polnische Regierung die Fahrrinne ausgerechnet mit EU-Geldern bauen lassen will, während sie beim Bau des Terminals EU-Recht missachtet, wirkt wie ein Treppenwitz der aktuellen Entwicklung.

Neben der Bürgerinitiative protestiert die Gemeinde Heringsdorf auf Usedom besonders heftig. Auf der Urlaubsinsel befürchtet man nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf den Tourismus. Die Usedomer Gemeinden forderten die Landesregierung daher im Februar in einer gemeinsamen Stellungnahme auf, „alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um den Bau des Containerhafenterminals in Swinemünde zu verhindern“.

„Es sieht vielleicht aus wie ein Kampf von David gegen Goliath“, sagt Simon Nagy, Sprecher der Gemeinde Heringsdorf, „aber das aktuelle Handeln der polnischen Regierung bestärkt uns in unserem Vorgehen. Wir wollen noch in diesem Jahr eine Klage vor dem polnischen Verwaltungsgericht einreichen.“

Eine Antwort wie ein ausgestreckter Mittelfinger

Mittlerweile ist es mehr als fünf Monate her, dass MVs Landesregierung Eingaben und Fragen von staatlichen Institutionen, aber auch von Umweltverbänden zu dem geplanten Containerterminal bei der polnischen Regierung eingereicht hat. Antworten hat sie bis heute nicht erhalten, bestätigt ein Sprecher der Landesregierung.

Man kann die Unterschrift unter den Vertrag mit der EU allerdings natürlich auch als eine Antwort verstehen. Eine Antwort wie ein ausgestreckter Mittelfinger.

Wie positioniert sich die Landesregierung zu den aktuellen Ereignissen, den Vertragsunterzeichnungen, zu der Brüskierung aus Warschau? Ein Sprecher des Schweriner Wirtschaftsministeriums sagte auf Anfrage von KATAPULT MV, dass es dem Land Mecklenburg-Vorpommern wichtig sei, dass seine Rechte in diesem Verfahren gewahrt blieben. An die seit fünf Monaten ausstehende Antwort auf die Fragen und Eingaben aus Schwerin habe man mit einem weiteren Schreiben erinnert.

Weiterführende Links:
Streit um Hafenausbau spitzt sich zu
Usedoms Gemeinden reichen gemeinsame Beschwerde ein
Ein Containerterminal ohne Umwelteinflüsse: Zu schön, um wahr zu sein?
Die große Hafenfrage
Größter Containerhafen der Ostsee geplant: Transnationale Umweltschäden befürchtet

Quellen

  1. Kurier Szczeciński (Hg.): Port w Świnoujściu zyska nowy tor podejściowy, auf: 24kurier.pl (26.7.2023), eigene Übersetzung.
  2. Lübbert, Anke: Ein Containerterminal ohne Umwelteinflüsse, auf: katapult-mv.de (6.2.2023).
  3. Skarul, Bogna: Właśnie podpisano pierwszą umowę związaną z budową terminala kontenerowego w Świnoujściu, auf: gs24.pl (10.7.2023), eigene Übersetzung.
  4. Twoje Radio (Hg.):Krzysztof Urbaś: Umowę z inwestorem na budowę terminala kontenerowego podpiszemy po uzyskaniu dwóch decyzji, auf: twojeradio.fm (19.5.2023), eigene Übersetzung.
  5. Lübbert, Anke: Die große Hafenfrage, auf: katapult-mv.de (10.10.2022).
  6. E-Mail vom Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit MV vom 20.7.2023.
  7. Ebd.

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