Trauriger Jahresrückblick 2024

Queerfeindlichkeit in MV

Im Queeren Zentrum Neubrandenburg wurden am Montag Scheiben eingeschlagen. Es ist nicht der erste Angriff auf das Vereinshaus seit seiner Eröffnung Anfang 2024. Auch landesweit häufen sich in diesem Jahr die Vorfälle. Engagierte, die sich dagegenstellen, verlangen dringend mehr Unterstützung und Sicherheit.

In Neubrandenburg wurde Anfang der Woche das Queere Zentrum angegriffen. Zwei Scheiben im Dachgeschoss wurden eingeschlagen, wie der Verein mitteilt.1 Die Polizei sucht Zeug:innen. Vor zwei Monaten hatten Unbekannte bereits die Regenbogenflagge des Zentrums gestohlen und den Fahnenmast beschädigt. Mehrfach wurde der Eingangsbereich mit rechtsextremen und queerfeindlichen Stickern überklebt und beschmiert. Das Vereinshaus wurde Anfang dieses Jahres eröffnet und ist im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte die einzige Anlaufstelle für trans-, inter- und nonbinäre Personen.

Vorstandsmitglied Nils Berghof vom Verein queerNB betont, dass es landesweit in diesem Jahr eine Reihe queerfeindlicher Angriffe gegeben hat: „Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen, dass der Ton gegenüber queeren Menschen rauer wird. Umso mehr benötigen wir jetzt einen effektiven Schutz“, sagt er und richtet diese Forderung auch an die Landesregierung.

Januar8.1. Neubrandenburg: Tim Großmüller veröffentlichte ein Video des Oberbürgermeisters von Neubrandenburg und verunglimpft ihn zusätzlich.

17.1. Rostock: Eine Gruppe von fünf Männern attackiert eine Person in einem öffentlichen Verkehrsmittel erst mit queerfeindlichen Beleidigungen, ehe sie zuschlagen und zutreten.
März16.3. Rostock: Ein 16-Jähriger Schüler wird von seinen Mitschüler:innen per Nachricht homophob beleidigt.
Juni1.6. Rostock: Der Stand des CSD Rostock wird auf dem KTV-Fest mit Katzenkot verunreinigt. Der Beutel war mit einer homophoben Botschaft versehen.

8.6. Neustrelitz: Auf dem CSD Neustrelitz werden mehrfach Eier in die Menschenmenge geworfen.
Juli6.7. Schwerin: Rechtsextreme und gewaltbereite Störer finden sich zu einer Demonstration gegen den CSD Schwerin zusammen.

27.7. Neubrandenburg: Am Bahnhof wird die gehisste Regenbogenflagge gestohlen und durch eine Hakenkreuzflagge ersetzt.

29.7. Greifswald: Unter einem Video der Universitätsmedizin Greifswald sammeln sich über 300 queerfeindliche Kommentare.
August8.8. Neubrandenburg: Die Regenbogenflagge wird gestohlen.

12./13.8. Neubrandenburg: Am Bahnhof wird die gehisste Regenbogenflagge gestohlen und durch eine Hakenkreuzflagge ersetzt.

13./14.8. Schwerin: An den Bürogebäuden der Links- und Piratenpartei sowie an den Clubs Einblick und Benno B werden Folien mit queerfeindlichem Inhalt angebracht.
September14.9. Wismar: Gegen den CSD in Wismar formiert sich eine rechte Gegendemonstration.

15./16.9. Rostock: Auf die queere Bar Bsieben gibt es einen versuchten Brandanschlag.

18.9. Ribnitz-Damgarten: Unbekannte hacken den Account eines 27-jährigen Lehrers und verschicken homophobe E-Mails.

25.9. Schwerin: Horst Förster (AfD) stellt in seiner Rede im Landtag queere Menschen in die Nähe von Pädophälie.

Neubrandenburg: Mehrfach wird das Eingangsschild des Queeren Zentrums beschmiert und mit rechtsextremen Stickern beklebt.
Oktober9.10. Neubrandenburg: Das Hissen der Regenbogenflagge am Bahnhof wird durch die Stadtvertretung verboten.

26.10. Neubrandenburg: Die Regenbogenflagge des Queeren Zentrums wird gestohlen.
November3.11. Rostock: Auf die queere Bar Bsieben wird ein Brandanschlag verübt.

13.11. Neubrandenburg: Im Rahmen der Stadtvertretungssitzung setzt Tim Großmüller queere Menschen in Verbindung mit Pädophälie.

15./16.11. Rostock: Die Regenbogenflagge an einem Privathaus wird gestohlen.
Dezember2.12. Neubrandenburg: Am Queeren Zentrum werden Scheiben eingeworfen.
Chronik queerfeindlicher Vorfälle im Jahr 2024

Deutschlandweit verschärfte Gefährdungslage

Dass sich die Situation für queere Menschen verschlechtert hat, bestätigt auch der Jahresbericht des Bundesverbandes der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (BMB).2 In allen Bundesländern hätten Fälle von Rechtsextremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Gewaltkommunikation im öffentlichen Raum deutlich zugenommen.

Der BMB berichtete von so vielen Anfragen von Betroffenen wie noch nie. Die Gefährdungslage habe sich verschärft. Unter den vom Verband ausgemachten neuen „Trends“ dieses Jahres sind auch offene Queerfeindlichkeit und eine Mobilisierung gegen CSD-Veranstaltungen. Das Fazit: Die extreme Rechte gehe in die Offensive. Engagierte, die sich dagegenstellen, brauchen dringend mehr Unterstützung und Sicherheit.
Der BMB erhofft sich nun deutliche Signale von den Innenminister:innen, die von heute bis Freitag im brandenburgischen Rheinsberg tagen.

Digitale Beratungsstelle geplant

MVs Landtag beschloss auf Antrag von SPD, Linker, Grünen und FDP im August bereits die Fortschreibung des Aktionsplans „Vielfalt und Toleranz Mecklenburg-Vorpommern – In Vielfalt vereint!“, um weitere konkrete Maßnahmen zu entwickeln.3 Unter anderem soll eine zentrale Beratungsstelle für queere Personen dazu beitragen, dass von Diskriminierung Betroffene eine Anlaufmöglichkeit haben – allerdings nur digital.4 Daneben sind rund 80 weitere Maßnahmen vorgesehen.


Mehr zum Thema

  1. E-Mail von queerNB vom 3.12.2024. ↩︎
  2. Bundesverband mobile Beratung (Hg.): Jahresrückblick 2024: Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt, auf: bundesverband-mobile-beratung.de (3.12.2024). ↩︎
  3. Regierung MV (Hg.): Landesaktionsplan für die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in Mecklenburg-Vorpommern – Fortschreibung -, auf: regierung-mv.de (2024). ↩︎
  4. Die Linke MV (Hg.): Schutz queeren Lebens ist wichtiger denn je – Hass und Hetze wirksam Einhalt gebieten, auf: linksfraktionmv.de (14.11.2024). ↩︎

Autor:innen

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

  • Redakteurin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.