Das Motto „Neubrandenburg – Regenbogen steht dir“ war in den meisten Redebeiträgen auf den Stufen des Rathauses zu hören.
Nachdem sich in der vergangenen Woche knapp 200 Menschen zu einer Mahnwache versammelten, kamen gestern laut den Veranstalter:innen 1.300 Menschen, laut Polizei rund 1.000 zusammen. Kurz nach dem Beschluss der Stadtvertretung in der vergangenen Woche, das Hissen der Regenbogenflagge am Bahnhofsvorplatz zu verbieten, wurde zudem eine Online-Petition gestartet. Nach knapp einer Woche zählt diese bereits 35.900 Unterschriften. Mehr als 5.000 davon kamen allein am Freitagmorgen dazu.
Der noch amtierende Oberbürgermeister Silvio Witt (parteilos) nahm auch an der Demonstration teil: „Über Vielfalt und Toleranz stimmt man nicht ab. Das ist etwas, das uns zusteht und unsere Gesellschaft auszeichnet“, sagte er gleich zu Beginn der Veranstaltung. Und er erklärte fordernd: „Die Stadtvertretung hat das Recht, ihre Beschlüsse zu revidieren.“
Auch der Rektor der Hochschule Neubrandenburg, Gerd Teschke, forderte die Stadtvertretung im Namen der gesamten Hochschule dazu auf, ihren Beschluss zurückzuziehen. Die „unmittelbare Umsetzung des Verbots und der Rücktritt Silvio Witts sind unerträglich“. Dadurch und mit der deutschlandweiten medialen Aufmerksamkeit habe die Hochschule schon jetzt an Attraktivität verloren.
Organisator und Vorsitzender des Vereins queer NB, Marcel Spittel, kritisierte: „Schon oft wurden Flaggen vom Bahnhofsplatz von queerfeindlichen, rechten, zum Teil halbstarken Menschen gestohlen. Jetzt aber wurde sie von 15 Leuten aus der Stadtvertretung gestohlen.“
Auch Mitglieder anderer queerer Vereine kamen zur Unterstützung nach Neubrandenburg. In ihrem Redebeitrag zeigte sich Lisa von Queerstrelitz erschüttert über das Verbot: „Wem tut es (eine Regenbogenflagge, Anm. d. Red.) so weh, dass so eine drastische Entscheidung getroffen wird?“ Trotzdem ermutigte sie alle, unbedingt weiterzumachen. Es sei schon so viel aufgebaut worden.
Es seien nicht nur queere Menschen zur Demo gekommen, heißt es in den Redebeiträgen. Es sind vor allem diejenigen da, die sich für sie stark machen und für ein weltoffenes Neubrandenburg einstehen wollen. Und das sei die Mehrheit in der Stadt.
Nils Berghof (rechts), stellvertretender Vorstandsvorsitzender von queer NB, nennt den Beschluss „widerlich“. Er rief nach der Stadtvertretersitzung unter dem Motto „Regenbogen steht dir“ dazu auf, in den Läden und Fenstern der Stadt Regenbogenfahnen aufzuhängen. Viele sind dem Aufruf gefolgt.
Am Rand der Veranstaltung versuchte eine kleine Gruppe mehrfach, die Veranstaltung zu stören. Auch ein paar vorbeifahrende Autofahrer beschwerten sich laut über die Veranstaltung. Weitere Vorfälle gab es laut Polizei aber nicht.
„NB bleibt bunt, tut es kund“, erklang es vom Demozug, der im Anschluss an die Kundgebung durch die Innenstadt zog.
Der Demozug versammelte sich im Anschluss noch einmal vor dem Rathaus.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki beteiligte sich ebenfalls an der Demo. Auch er bat die Stadtvertreter:innen, den Beschluss zurückzunehmen. Hinter dem Verbot stehe ein Mann, der intolerant und homophob sei und Lügen zu politischen Beschlüssen auf seinem Account öffentlich verbreite.
Caja vom Verein MV bleibt bunt war letzte Woche schon auf der Mahnwache in Neubrandenburg. Für sie ist es wichtig, sich gegen die Argumente von Tim Großmüller (Stabile Bürger für Neubrandenburg) und anderen Stadtvertreter:innen zu stellen, die diese Entscheidung getragen haben. Die Regenbogenflagge sei ein Symbol für Toleranz. Das Grundgesetz liefere für ihre auch öffentliche Nutzung die besten Gründe: Diskriminierung jeglicher Art ist verboten.
Insgesamt zwei Stunden blieb der Großteil der Teilnehmer:innen. Zuletzt wurden sie aufgerufen, für ein deutliches Zeichen am 13. November zur offenen Bürgerfragestunde zu kommen. Dann kommt die Stadtvertretung das nächste Mal zusammen.