Von roter Jugend bis AfD – ein Großteil des politischen Spektrums organisierte am 1. Mai Veranstaltungen in Rostock. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) rief zur Demonstration vor dem historischen Gewerkschaftshaus im Patriotischen Weg auf und veranstaltete außerdem ein Familienfest auf dem Kastanienplatz. Die AfD organisierte im Park am Fischerdorf Evershagen ein Bürgerfest. Am Nachmittag rief die Rote Jugend am Saarplatz zur Demonstration.
Ursprünglich kommt der Tag der Arbeit aus den USA. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden viele Arbeitsverträge am 1. Mai neu abgeschlossen oder beendet. An diesem Tag mussten also zahlreiche Arbeiter:innen Wohnort oder Betrieb wechseln. 1886 kam es am 1. Mai zu einer Demonstration von rund 400.000 Arbeiter:innen, die den Acht-Stunden-Tag forderten. Bei den darauf folgenden Ausschreitungen erschoss die Polizei mehrere Streikposten. Also Menschen, die vor einem Betrieb standen, um Arbeitswillige zum Streik zu motivieren. In Deutschland beschloss die Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1889, den ersten Mai als Tag der Arbeiter:innenbewegung festzuschreiben.1
Demonstration der Gewerkschaften
Bastian Szesny, Jugendbildungsreferent der DGB in MV, eröffnete gegen 10:30 Uhr die Kundgebung am historischen Gewerkschaftshaus. Er begründete den Startpunkt damit, dass damit die Gewerkschafter:innen gewürdigt werden sollten, die gegen den Nationalsozialismus in den Widerstand gingen. Viele von ihnen wurden in der Folge verfolgt und ermordet.

Anlässlich des aktuellen Rechtsrucks rief er auch dazu auf, gemeinsam gegen den Faschismus zusammenzustehen und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. An der Demonstration beteiligten sich zahlreiche Parteien und Gruppen – darunter SPD, Grüne, MLPD und Rostock for Future.
Ein Vertreter der Jungsozialisten (Jusos) kritisierte in seiner Rede den Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU. Diesem stimmten die Mitglieder beider Parteien inzwischen zu.2 Die Einschränkung von Arbeitnehmer:innenrechten sei so nicht hinnehmbar. Außerdem forderte er eine Mobilitätswende hin zum ÖPNV.

Eckhard Brickenkamp sprach für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Der erste Mai sei für Rostock nicht nur Tag der Arbeit, sondern auch Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Er forderte dazu auf, im Rahmen der Demo auch den Opfern der Konzentrationslager und den Zwangsarbeiter:innen zu gedenken.

Pierre von der DGB-Jugend hielt ein Plädoyer für mehr Investitionen in Bildung und Schulsozialarbeit. Auch heute seien tausende Kinder in MV von Armut betroffen. Weil gute Bildung immer noch ein Privileg finanzstarker Familien sei, benötige es mehr Geld – besonders für regionale und berufliche Schulen.
Laureen Zschäbitz vom Allgemeinen Studierendenausschuss der Universität Rostock (Asta) kritisierte, dass auch viele Studierende an der Armutsgrenze leben. Sie kämpft deshalb gegen weitere Preissteigerungen, zum Beispiel beim Semesterbeitrag. Außerdem forderte sie alle anwesenden Studierenden auf, sich aktiv für ein sozial gerechteres Studium zu engagieren.

Zwei Vertreter der Linksjugend kritisieren ebenfalls den Koalitionsvertrag. Er sei ein „Schlag ins Gesicht“ für alle Arbeiter:innen. Wer den Acht-Stunden-Tag in Frage stellt, habe entweder vergessen, wie es sich in der Arbeiter:innenklasse anfühlt, oder habe es nie wirklich erlebt. Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU und SPD darauf, statt eines Acht-Stunden-Tages einen wöchentlichen Rahmen für Arbeitszeit einzuführen.3
Nach den Redebeiträgen zogen die etwa 350 Teilnehmenden durch die KTV. Ihr Ziel war der Kastanienplatz im Barnstorfer Wald.

Bürgerfest der AfD
Deutlich weniger Besucher nahmen am Bürgerfest der AfD im Park am Fischerdorf Evershagen teil. Etwa 50 Personen kamen auf den Bierbänken zusammen. Die Veranstaltung wurde von mehreren Polizist:innen gesichert. Sie führten im angrenzenden Park Personenkontrollen durch.

An dem Bürgerfest nahmen auch bekannte AfD-Funktionär:innen teil. Beispielsweise Landtagsabgeordneter und gescheiterter Bürgermeisterkandidat in Rostock Michael Meister, Landtagsabgeordnete Petra Federau und die gescheiterte Bundestagskandidatin Steffi Burmeister. Auch Christian Boldt war vor Ort. Im März besuchte der Kommunalpolitiker eine Lesung des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner in Elmenhorst bei Rostock.4 Boldt nahm in der Vergangenheit an Demos der NPD Jugendorganisation teil.5


Familienfest am Kastanienplatz
Auf dem Kastanienplatz – der Festwiese im Barnstorfer Wald – versammelten sich laut Polizeiangaben 800 Gäste. Hier hatten Parteien, Vereine und Gruppen ein buntes Programm organisiert. Während es an den Ständen Kuchenverkauf, Dosenwerfen und Informationsangebote gab, wurden auf der Bühne weitere Reden gehalten. Zusätzlich gab es ein Musikprogramm.




Rote Jugend am Saarplatz
Am Nachmittag versammelte sich die Rote Jugend Rostock in der KTV. Rund 200 Personen kamen unter dem Motto Rote Jugend voran – Arbeiterjugend organisiert euch zusammen. In einem Redebeitrag erklärte eine Teilnehmerin, dass die Arbeiter:innenklasse gespalten sei. Rechte Parteien würden Arbeiter:innen gegen Migrant:innen aufhetzen, obwohl beide denselben Feind hätten: den Kapitalismus.
Es sei Aufgabe der Roten Jugend, eine Kommunistische Partei aufzubauen. In einer weiteren Rede forderte ein Teilnehmer, mit Kapitalinteressen zu brechen, um die Klimakatastrophe aufzuhalten. Die Probleme des Rechtsrucks und die Klimakatastrophe gehen Hand in Hand.

Auf ihrem Weg zum Doberaner Platz rief der Demozug „Alle Macht dem Proletariat“. Auf Transparenten solidarisieren sie sich mit der Frauen-Leben-Freiheit-Bewegung im Iran. Auffällig waren außerdem die zahlreichen Palästinaflaggen und der Sprechchor „Viva, viva, Palästina“. Die Teilnehmer:innen beanstandeten, dass sie auf Grund ihrer Solidarität mit Palästina in der Vergangenheit von einer anderen linken Demonstration ausgeschlossen wurden.

Antifaschist:innen aus Rostock kritisieren in einem anonymen Beitrag auf der Plattform indymedia sowohl das Auftreten, als auch die „Verherrlichung antisemitischer Gewalt“ durch die Rote Jugend. Sie beschuldigten die Gruppe, den feministischen Kampftag am 8. März „durch vorwiegend männliche Dominanz vereinnahmt“ zu haben. Außerdem solidarisierte sich die Rote Jugend mit Samidoun.6 Die Amadeu Antonio Stiftung bezeichnet dieses Netzwerk als „Brücke zwischen radikalen Linken und Islamist:innen, zwischen Hamas und Migrantifa“.7
Alle Veranstaltungen blieben, laut Polizeiangaben, friedlich.8
Transparenzhinweis: Wir haben den Beitrag am 2.5.2025 um die Angaben des Polizeipräsidiums Rostock ergänzt.
- Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): 1. Mai: Tag der Arbeit, auf: bpb.de (26.4.2021). ↩︎
- Tagesschau (Hg.): SPD-Mitglieder stimmen für Koalitionsvertrag, auf: tagesschau.de (30.4.2025). ↩︎
- Tagesschau (Hg.): Was Schwarz-Rot vorhat – und was nicht, auf: tagesschau.de (9.4.2025). ↩︎
- Biedermann, Lilly: Geheimes Treffen der rechtsextremen Szene bei Rostock, auf: katapult-mv.de (4.3.2025). ↩︎
- Oben Rechts (Hg.): Graffiti und die AfD, auf: oben-rechts.org (17.5.2024). ↩︎
- Indymedia (Hg.): Keine Zusammenarbeit mit den autoritären Antisemit:innen der Roten Jugend Rostock, auf: indymedia.org (20.3.2025). ↩︎
- Potter, Nicholas: Samidoun: Tarnung für Terror, auf: amadeu-antonio-stiftung.de (12.10.2023). ↩︎
- Polizeipräsidium Rostock (Hg.): Friedlicher 1. Mai mit Versammlungen in Schwerin und Rostock, auf: polizei.mvnet.de (1.5.2025). ↩︎