Am 6. Juli werden in Berlin linke Aktivist:innen auf dem Weg zu einer Demonstration gegen den III. Weg von 15 bewaffneten mutmaßlich Rechtsextremen angegriffen. Die Organisator:innen der Demo seien sich sicher, dass die Neonazis vom III. Weg für den brutalen Angriff verantwortlich seien, schreibt der Tagesspiegel. Damit steht die neonazistische Kleinpartei wieder einmal im Fokus der bundesweiten Berichterstattung über die extreme Rechte. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die Partei seit über einem Jahr offiziell aktiv.
Im April 2023 wurde im Bundesland ein Ableger der Partei gegründet. Seitdem sind Mitglieder des Stützpunktes Nord/Ost vor allem in Güstrow und Pasewalk, aber auch in Rostock, Schwerin und Torgelow in Erscheinung getreten. Die Neonazis nutzen verschiedene Aktionsformen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Sie veranstalten Kampfsporttrainings, verteilen Flyer, stören Kundgebungen für Demokratie und Vielfalt , organisieren Infostände und „Gedenkveranstaltungen“. Außerdem treiben sie bundesweit – vor allem aber in den ostdeutschen Bundesländern – die Vernetzung mit anderen Neonazis voran. Die Parteimitglieder in MV waren teilweise vorher in der regionalen rechtsextremen Kameradschaftsszene engagiert.
Alte Bekannte von Aktionsblog und NPD
Zentrale Rollen spielen beispielsweise David M. aus Güstrow und der Rostocker Guido H. Beide haben sich bereits in der Vergangenheit in rechtsextremen Gruppierungen wie der Kameradschaft Nationale Sozialisten Rostock oder dem daraus hervorgegangenen Aktionsblog engagiert. Beide Organisationen samt ihrem „sportlichen Arm“, Baltik Korps, wurden 2021 vom Landesinnenministerium aufgrund ihrer Verfassungsfeindlichkeit verboten. Jetzt organisieren M. und H. für den III. Weg Ausflüge, Aktionen und Kampfsporttrainings und gestalten die Nachwuchsarbeit.
Einige Akteure haben zudem Erfahrungen im Bereich der Parteiarbeit, waren zuvor etwa in der NPD (heute Die Heimat) aktiv. So zum Beispiel auch Torsten R. und Roy P. aus dem Raum Pasewalk. Beide haben, wie Fotos belegen, mehrfach an Veranstaltungen der NPD in MV, aber auch in anderen Regionen teilgenommen.
Kevin K. aus Torgelow, ein jüngerer Aktivist, postete noch 2022 ein Foto auf Facebook mit einer Fahne der Jungen Nationalisten – der NPD-Jugendorganisation. Seit Oktober 2023 inszeniert er sich in den Sozialen Medien als Kampfsportler und Mitglied des III. Weges und dessen Jugendorganisation Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ). Dass es Verbindungen zwischen Heimat und III. Weg gibt, wird unter anderem an der gemeinsamen Teilnahme am jährlichen sogenannten Tollensemarsch in Neubrandenburg deutlich, der vom ehemaligen NPD-Landesvorsitzenden David Petereit organisiert wird. Zuletzt sorgte die Teilnahme von Julian R., dem Sohn des Pasewalker Bürgermeisters, für Aufsehen. Er pflegt auch freundschaftliche Kontakte zu mindestens einer Person, die mutmaßlich beim III. Weg oder in dessen Umfeld aktiv ist.
Die menschenverachtende Ideologie des III. Weges
Es scheint, als gebe es eine gesellschaftliche Verankerung einiger Aktivisten aus dem Umfeld der Partei – vor allem in Vorpommern. Umso spannender ist ein Blick auf die ideologische Ausrichtung des III. Weges, der eindeutig neonazistisch und antidemokratisch geprägt ist. Die Partei selbst wirbt mit den Attributen „national, revolutionär und sozialistisch“ für sich. In ihrem Zehn-Punkte-Programm kommt ihre völkische und rassistische Weltanschauung zum Vorschein, die programmatische Ähnlichkeiten zum historischen Nationalsozialismus aufweist. Neben dem Ziel, das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen, fordert sie unter anderem die Abschaffung des Artikels 16a im Grundgesetz, des Grundrechts auf Asyl.
Die Ablehnung von Asylbewerber:innen äußert sich auch darin, dass die Neonazis insbesondere im Raum Pasewalk immer wieder zu sogenannten Grenzschutz-Aktionen aufrufen, um Migrant:innen daran zu hindern, nach Deutschland einzureisen. Sie versuchen, die Anwohner:innen der Region dazu zu animieren, vermeintlich illegale Grenzübertritte zu melden, und inszenieren sich als Bürgerwehr an der deutsch-polnischen Grenze. Ihre Rhetorik ist von rassistischen und menschenverachtenden Motiven geprägt.
Weiterhin versuchten etwa 20 Aktivist:innen des III. Weges im Oktober 2023, eine Travestieshow in Pasewalk zu stören. In einem Artikel, der sich auf diese Aktion bezieht, nutzen sie rechtsextreme Kampfbegriffe, um das antifeministische Narrativ der „Frühsexualisierung“ von Kindern in der Schule durch queere Personen zu verbreiten. Außerdem bezeichnen sie Travestie-Künstler:innen darin als „Geschlechtsverirrte“.
Kampfsport in Vereinsräumen – und in der Öffentlichkeit
Neben den inhaltlichen Propagandaaktionen, die sich gegen bestimmte Menschengruppen richten, organisieren die Neonazis in MV vor allem Kampfsporttrainings. Gewalt ist ein zentrales Ideologieelement des III. Weges, das ihre Mitglieder zur Durchsetzung ihrer Ziele als legitim erachten. Kampfsport zu trainieren, erfüllt dabei gleich zwei Funktionen. Zum einen dient das Training der Vorbereitung auf den militanten „Straßenkampf“, zum anderen wird „Leibeszucht [als] Dienst am Vaterland“ angesehen. Mithilfe dieses Leitspruchs wird sportliche Aktivität mit völkischer Ideologie verknüpft. Innerhalb der Partei gibt es die Arbeitsgemeinschaft Körper & Geist, die die Trainings abhält. Mit offenen Sportangeboten sollen außerdem neue Anhänger:innen gewonnen werden.
In MV werden die Kampfsporttrainings von Kadern des Stützpunktes Nord/Ost wie Guido H. und David M. organisiert und angeleitet. M. stand bereits einige Male selbst beim mittlerweile verbotenen Kampfsportevent „Kampf der Nibelungen“ im Ring und absolvierte im Jahr 2019 die Ausbildung für eine C-Lizenz als Boxtrainer. H. ist Bodybuilder und war gemeinsam mit M. Mitglied im Baltik Korps.
Der III. Weg trainiert häufig im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf Calisthenics-Plätzen. Teilweise nutzen die Anhänger:innen aber auch die Räumlichkeiten von Sportvereinen wie dem „Allround Sports Gym“ (ASG) in Güstrow. Das ASG hat neben Güstrow auch Standorte in Rostock und Stralsund. In dem Verein können Kinder und Erwachsene unter der Woche Boxen und Kickboxen trainieren. Außerdem veranstalten die drei Gyms regelmäßig Benefiz-Fight-Nights, die in der Vergangenheit unter anderem wegen der Beteiligung verschiedener Neonazis im Fokus der Presse standen – etwa 2022 und 2023 jeweils Anfang Dezember in Güstrow.In den Räumen des Güstrower ASG sind III.-Weg-Leute manchmal auch am Wochenende zugegen, um Kampfsport zu betreiben. Es ist davon auszugehen, so legen es zumindest Fotos und Videos nahe, dass David M. einen Schlüssel hat.
Egal ob die Trainings im öffentlichen Raum oder hinter verschlossenen Türen stattfinden: Sie dienen insbesondere zur Anwerbung neuer Mitglieder und der Anbindung vornehmlich junger Männer an die extrem rechte Szene. Insbesondere seit diesem Jahr ist zu beobachten, dass immer mehr Jugendliche an den Trainings und Aktionen teilnehmen. So dokumentieren es Bilder, die der Stützpunkt über den eigenen Telegram-Kanal verbreitet.
Die Professionalisierung von Neonazis im Kampfsport bedeutet darüber hinaus eine Gefahr für ihre politischen Gegner:innen und marginalisierte Personen wie zum Beispiel queere Menschen oder Geflüchtete. So sollen die bei den Trainingseinheiten erlernten Fähigkeiten wohl auch auf der Straße eingesetzt werden. Dass einige Aktivisten vom III. Weg durchaus gewaltbereit sind, zeigt sich in ihrer Vergangenheit in anderen neonazistischen Gruppierungen. In MV gab es bisher im Rahmen von Parteiaktionen noch keine gewalttätigen Übergriffe. Und dennoch stellen die Strukturen der extrem rechten Partei eine reelle Gefahr für viele Menschen in MV dar. Insbesondere der Zuwachs junger, gewaltbereiter Aktivist:innen ist in diesem Zusammenhang besorgniserregend.
Quellen
- Lenze, Dominik: Zwei Schwerverletzte, Faustschläge auf Polizistin: Mutmaßlicher Neonazi-Angriff am Berliner Bahnhof Ostkreuz, auf: tagesspiegel.de (8.7.2024).↩
- Oben Rechts (Hg): Dritter Weg als Ersatzorganisation des Aktionsblogs?, auf: oben-rechts.org (29.8.2023).↩
- Ministerium für Inneres und Europa MV (Hg.): Innenminister verbietet „Nationale Sozialisten Rostock“ einschließlich seiner Teilorganisation „Baltik Korps“/ Renz: Rechtsextremismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz, auf: verfassungsschutz-mv.de (24.6.2021).↩
- Strassentalk (Hg.): Stralsund-01-Mai-2017, auf: flickr.com (1.5.2017).↩
- Presseservice Rathenow (Hg.): 2024.02.24 Neubrandenburg – Neonazistischer Tollensemarsch #NB2402, auf: flickr.com (24.2.2024).↩
- Oben Rechts (Hg.): Pasewalker Neonazi beim Tollensemarsch, auf: oben-rechts.org (3.3.2024).↩
- Der Dritte Weg (Hg): Ausführungen zum Punkt 10 „Deutschland ist größer als die BRD“ des Zehn-Punkte-Programms, auf: der-dritte-weg.info / Der Dritte Weg (Hg): Programm zur Ausländerrückführung, auf: der-dritte-weg.info.↩
- Der Dritte Weg Stützpunkt Nord/Ost (Hg.): Travestieschutz vor Grenzschutz, auf: der-dritte-weg.info.↩
- Litschko, Konrad: Die rechte Sekte, auf: taz.de (7.5.2022).↩
- @dritterwegnordost: Beitrag vom 16.2.2024, 18:10 Uhr, auf: t.me.↩
- Runter von der Matte (Hg.): Aktivitäten der extrem rechten Kampfsportszene in Deutschland. Rückblick & Ausblick, auf: runtervondermatte.noblogs.org (4.5.2019).↩
- Endstation Rechts (Hg.): Boxverein: Neonazi trainiert Jugendliche mit Migrationshintergrund, auf: endstation-rechts.de (20.5.2019).↩
- Calisthenics bezeichnet eine Trainingsmethode, bei der lediglich das eigene Körpergewicht genutzt wird.↩
- Bernstein, Bea: Gemeinsam mit Neonazis zum Wohl der Kinder, auf: belltower.news (8.12.2022) / Stepputat, Hannes: Diskussion um Kampfsportveranstaltung in Güstrow, auf: ndr.de (2.12.2023).↩
- @dritterwegnordost: Beitrag vom 16.2.2024, 18:10 Uhr, auf: t.me.↩