Stiller Marsch gegen Rassismus in Stralsund

Wehret den Anfängen

Wiederholt sich braune Geschichte in MV? Gegen das aktuelle brandgefährliche und rassistische Klima in Meck-Vorp organisieren mehrere Vereine und Initiativen am Freitag um 16 Uhr vor dem Theater in Stralsund einen stillen Marsch gegen Rassismus.

Ausgerufene Selbstjustiz in Loitz, der Greifswalder Bürgermeister muss unter Polizeischutz eine Unterbringungsbesichtigung verlassen, brennende Geflüchtetenunterkünfte und Morddrohungen gegen den Landrat von Nordwestmecklenburg, Ukrainerinnen und Russinnen werden mit Fäkalien beworfen, Romnja und Sinti:zze-Kinder an einer Neubrandenburger Schule ausgegrenzt und in Stralsund stellt die AfD wie in vielen anderen Städten in der Bürgerschaft die Frage, wie es um geplante Geflüchtetenunterkünfte in der Hansestadt steht.

Die Zahlen des Bundesinnenministeriums vom letzten Jahr zeigen: Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte nehmen wieder zu. Der Ton in der Migrationsdebatte wird auch und gerade in Mecklenburg-Vorpommern rauer. Bislang gab es zahlreiche Proteste und Versammlungen gegen kommende oder geplante Geflüchtetenunterkünfte, die die Landesregierung und politischen Verantwortlichen unter Druck setzen. Das Problem: Bei der Unterbringung von Geflüchteten sehen viele Kommunen ihre Belastungsgrenze erreicht.

Dafür sollten bei einem Krisentreffen der Spitzen der Kommunalverbände mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in der vergangenen Woche Lösungen gefunden werden. Es gehe dabei nicht nur um die Unterbringung Geflüchteter, sondern auch um die Akzeptanz vor Ort, so Schwesig. In Upahl (Nordwestmecklenburg) beispielsweise stießen die bisherigen Pläne des Landkreises für eine 400-Personen-Containersiedlung auf massiven Widerstand.

FDP fordert Enquetekommission zur Zuwanderung

Nach sechsstündigen Beratungen zwischen Regierung, Kreisen und Gemeinden am 9. März gab Schwesig dann bekannt: Das Land will weitere Plätze zur Aufnahme geflüchteter Menschen bereitstellen. Somit sollen auch die Kapazitäten des Erstaufnahmelagers in Nostorf-Horst erhöht werden. Um wie viel die bisherige Zahl von 1.700 Plätzen in den Landeseinrichtungen dort und in Schwerin aufgestockt wird, sagte sie nicht. Die FDP-Fraktion im Landtag fordert nun eine Enquetekommission, die sich mit den Chancen und Herausforderungen der Zuwanderung für Mecklenburg-Vorpommern befassen soll.

Paul Benduhn, Sprecher der Grünen Jugend in MV, findet angesichts der aktuellen Rassismuskrise klare Worte: „Wir fordern dazu auf, gegen Rassismus aufzustehen, ihn zu benennen und frühzeitig zu stoppen. Es ist Zeit, dass auch die Landesregierung rassistische Proteste als solche benennt und verurteilt. Wer öffentlichkeitswirksam im letzten Sommer zu 30 Jahre Rostock-Lichtenhagen gedenken konnte, muss jetzt die richtigen Schlüsse ziehen und verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt.“

Ungeachtet dessen geht die Mobilisierung gegen Neuankömmlinge in MV auf der Straße weiter. Nach den Corona- und Energiedemonstrationen zeigen sich protestwillige Menschen in MV auch und gerade besonders dann, wenn es um die eigene Nachbarschaft geht. Dass es sich hierbei um eine gefährliche und menschenfeindliche Entwicklung handelt, mussten auch die Organisator:innen des stillen Marschs gegen Rassismus in Stralsund feststellen.

Das Büro der Organisator:innen von Tutmonde, einem migrationspolitischen Verein für Frauen- und Kinderrechte, wurde in den vergangenen Jahren mehrfach Ziel rechtsmotivierter Angriffe. Zuletzt schlugen Unbekannte kurz vor Weihnachten die Fensterscheibe des Büros in Stralsund ein, wenige Wochen nachdem die gemeinsame Studie Angst schwingt immer mit. Erfahrungen von Frauen in Mecklenburg-Vorpommern mit der Hochschule Neubrandenburg veröffentlicht worden war. Die Autor:innen nahmen die aktuelle Situation zum Anlass, um mithilfe der Perspektive betroffener Menschen die Dimension des Rassismus im Alltag in Mecklenburg-Vorpommern und in den Strukturen zu erfassen. Denn ein systematisches Monitoring mit repräsentativen Zahlen über Rassismuserfahrungen gibt es in MV nicht. Genauso wenig wie Erhebungen und Statistiken zum Ausmaß und den Folgen von Alltagsrassismus oder zu den Perspektiven der Migrant:innen.

Stiller Marsch gegen Rassismus am Freitag in Stralsund

Zum Auftakt der internationalen Wochen gegen Rassismus organisiert Tutmonde deshalb zusammen mit Fridays for Future, dem Frauenpolitischen Runden Tisch Stralsund und dem House of Resources Greifswald einen stillen Marsch gegen Rassismus. Am Freitag, dem 17. März, soll es um 16 Uhr vor dem Theater am Olof-Palme-Platz losgehen. „Auch dieses Jahr veranstalten wir einen stillen Marsch gegen Rassismus und dieses Mal ist er noch wichtiger als die letzten Male. Der Rassismus wird extremer und die Menschen kampfbereiter. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen Menschenhass“, so der Verein Tutmonde.

Der 21. März ist der internationale Tag gegen Rassismus, ein Gedenktag an die Toten durch Antisemitismus, Antiziganismus, antimuslimischen Rassismus, Kolonialismus, an ermordete schwarze Menschen, Geflüchtete, Homosexuelle, Obdachlose und andere Minderheiten in Deutschland und weltweit. Daran schließen sich die internationalen Wochen gegen Rassismus an, die es landesweit seit Ende der Siebzigerjahre gibt.

Für die Hansestadt Greifswald steht bereits das Programm für die Tage vom 20. März bis zum 2. April mit Ausstellungen, Wettbewerben, Vorträgen, Filmvorführungen, Diskussionen und Workshops, organisiert vom Bündnis Partnerschaft für Demokratie. Am 22. März stellen die Autor:innen der Studie aus Neubrandenburg, Christine Krüger und Júlia Wéber, um 18 Uhr im Greifswalder Rathaus ihre Ergebnisse im Vortrag „Lagebild Rassismus in MV: Erfahrungen von Frauen in Mecklenburg-Vorpommern“ vor.

Welche fatalen Ausmaße breit getragener gesellschaftlicher Rassismus annehmen kann, zeigte das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen 1992. Wie es kurz nach der Wende zu solch einer rassistischen Eskalation kommen konnte und welche Rolle die lokalen Medien dabei spielten, wird in der Märzausgabe von KATAPULT MV thematisiert.

Mehr zum Pogrom 1992 in Rostock-Lichtenhagen gibt es in unserer Sonderausgabe und auf unserer Themenseite. Eine Übersichtskarte der Todesopfer rechter Gewalt in ganz Deutschland stellt die KNICKER-Redaktion zur freien Verfügung.

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