Seit sieben Jahren ist Susanne Schmidt Mitglied der FDP. Sie selbst bezeichnet sich als „sozialliberal“. In ihrer Jugend in Berlin habe die Ärztin deutlich weiter links gestanden, aber „mit der Zeit ändert sich natürlich eine politische Einstellung und man orientiert sich ein bisschen um“, resümiert sie. Für die FDP habe sie sich dann auch wegen der politisch mittigen Positionierung entschieden. Aus der Mitte heraus könne man bessere Kompromisse mit beiden politischen Richtungen machen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt sie allerdings aus.
Probleme mit Ironie und nackter Haut
Als Schmidt letztes Jahr als einzige Liberale in die Greifswalder Bürgerschaft gewählt wurde, war das „eine große Überraschung“. Doch Schmidt ist im Landesverband nicht überall beliebt. Anfang des Jahres wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen sie eingeleitet, welches inzwischen allerdings fallen gelassen wurde. Der offizielle Grund dafür war, ein Beitrag auf ihrem privaten Instagram-Profil.1 Darin beschreibt sie, wie sie einen Minderjährigen „abfülle“, um ihn später zu vergewaltigen. Der Beitrag ist mit den Hashtags #nomeansno und #womaninmalefields versehen.2 Letzterer wird häufig von Frauen verwendet, um auf ironische Art auf sexistisches Fehlverhalten von Männern hinzuweisen, indem Situationen in umgekehrten Rollenbildern geschildert werden. Überspitzt wird damit ausgedrückt, dass sich Frauen in einem männlich dominierten Tätigkeitsfeld, nämlich Sexismus, behaupten können. Gegenüber der Ostsee-Zeitung erklärte Schmidt, dass sie die beschriebene Situation selbst erlebt habe, allerdings habe es sich um eine betrunkene Minderjährige gehandelt – sie selbst.
Es ist nicht das erste Parteiausschlussverfahren gegen die 42-Jährige. Bereits im letzten Jahr hatte es Versuche aus der Partei heraus gegeben, Schmidt auszuschließen. Der Antrag wurde damals allerdings vom Landesvorstand zurückgewiesen. Damals wurde als Grund ihre freizügigen Bilder in den Sozialen Netzwerken genannt. Dort zeigt sie sich oben ohne oder komplett nackt am Strand und in knapper Unterwäsche. Diese seien „bizarr“ und „abstoßend“, so ein männliches FDP-Mitglied aus einem anderen Kreisverband in einer Mail, die der Redaktion vorliegt. Weiter wird Schmidts Verhalten darin als „wirr“ und „abgedreht“ bezeichnet.
Vorwürfe sexueller Belästigung
Schmidt selbst sieht die Gründe für die Verfahren nicht in ihren freizügigen Bildern oder ihrer Beteiligung an Social-Media-Trends. Sie vermutet, dass ihr Engagement gegen Sexismus in der Partei nicht gern gesehen wird. Eine Parteifreundin habe sich an sie gewandt, nachdem ein anderes Mitglied sie mutmaßlich sexuell belästigt hatte. Schmidt habe die Vorfälle innerhalb der Partei thematisieren wollen, doch stattdessen habe eine Täter-Opfer-Umkehr stattgefunden. Das angestrebte und das jetzt laufende Verfahren hätten also „persönliche Gründe“, vermutet die Greifswalder Kommunalpolitikerin.
Rückendeckung erhalte Schmidt aus den eigenen Reihen: „Bei uns im Kreisvorstand fühle ich mich komplett unterstützt.“ Trotzdem setzt ihr die Situation zu. „Ich war schon oft fertig, habe überlegt, ob ich einfach hinschmeiße, weil ich nicht mehr konnte“, erinnert sie sich. Doch sie möchte nicht aufgeben und weiter für eine Veränderung innerhalb der Partei kämpfen.
Vielleicht doch zur Tierschutzpartei
Auch über einen Parteiwechsel hat die Ärztin bereits nachgedacht. Die SPD und die Tierschutzpartei wären für sie infrage gekommen. Letztere auch aus persönlichen Gründen: „Ich mag Robert und Anja einfach total gerne.“ Gemeint sind Robert Gabel und Anja Hübner, die für die Tierschutzpartei in der Greifswalder Bürgerschaft sitzen.
Doch es gibt mehrere Gründe, die Schmidt in der FDP halten. Einerseits den Kreisverband Greifswald. 2023 lag der Frauenanteil in der Bundes-FDP bei knapp unter 20 Prozent. Damit bildete sie das Schlusslicht aller großen Parteien und lag sogar hinter der AfD.3 In Greifswald dagegen sind auch wichtige Posten von Frauen besetzt. Die Greifswalder Studentin Mercedes Spiering beispielsweise ist Landesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis) in MV. Die JuLis sind die Jugendorganisation der FDP und gelten als progressiver als die Mutterpartei. Schmidt wäre selbst gern Mitglied der JuLis geworden, war aber bei ihrem Parteieintritt bereits zu alt dafür.

Kritik an der Bundespartei
Ein weiterer Grund, warum Schmidt die FDP nicht verlässt: Sie möchte nicht, dass die FDP noch mehr zur „wirtschaftsliberalen Männerpartei“ werde. Bereits jetzt hätten schon zu viele Sozialliberale der Partei den Rücken gekehrt, so die Kommunalpolitikerin. Wenn noch mehr aus ihrer Sicht gutes Personal geht, würde die Partei in eine Richtung steuern, die Schmidt nicht gefällt. Damit übt sie auch Kritik am Kurs der Bundespartei.
Anfang des Jahres beispielsweise blockierte die FDP im Rechtsausschuss des Bundestages gemeinsam mit der CDU einen Vorstoß zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.4 Ein Thema, das der Ärztin sehr am Herzen liegt. „In meinem Studium wurden Schwangerschaftsabbrüche nicht thematisiert und das, obwohl die Technik supereinfach ist“, erinnert sie sich. Gemeinsam mit anderen Greifswalder Politiker:innen setzt sie sich deshalb dafür ein, dass an der Uniklinik der Hansestadt Abbrüche durchgeführt werden. Auch bei anderen Themen ist sie mit dem Kurs der Bundespartei nicht einverstanden: „Ich bin schon sehr oft enttäuscht.“ Gegenüber Bundespolitiker:innen spricht sie ihre Vorstellungen zwar an, aber viel Veränderung ergebe sich daraus nicht. „Um mich selbst damit wohlzufühlen, habe ich für mich beschlossen, dass ich Kommunalpolitikerin bin“, lautet Schmidts Fazit.
Lieblingsthema: Feminismus
Schmidts Hauptthema ist der Feminismus: „Für mich bedeutet Feminismus, dass jede Frau so leben darf, wie sie möchte.“ Die ständige Sexualisierung von weiblich gelesenen Körpern stört sie sehr. Weiblich gelesen bedeutet, dass eine Person als Frau wahrgenommen wird, egal welches Geschlecht sie hat. Nach der Schule hat Schmidt eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert und viele Jahre in diesem Beruf gearbeitet. „Gerade als Krankenschwester wird man permanent sexualisiert und nicht ernst genommen, auch von den Chefs“, kritisiert sie. Später im Medizinstudium sei das nicht anders gewesen. Auch dort hätten manche Professoren keinen Respekt vor Frauen gehabt.
In ihrer kommunalpolitischen Arbeit versucht sie, feministische und queere Themen stärker in den Mittelpunkt zu rücken. In der Vergangenheit hatte sie beispielsweise eine Parteikollegin bei deren Antrag in der Bürgerschaft unterstützt, wonach sich Frauen sowohl im Strandbad Eldena als auch im Greifswalder Freizeitbad mit freiem Oberkörper aufhalten dürfen. Zukünftig möchte sich Susanne Schmidt dafür einsetzen, medizinische Angebote speziell für Transpersonen weiter auszubauen. Einen eigenen Antrag in der Bürgerschaft hat sie in ihrer Amtszeit allerdings noch nicht eingebracht. Allein und ohne Fraktion sei das auch schwierig, so die Kommunalpolitikerin.
Ihr Fokus auf sozialpolitische Themen macht es notwendig, dass sie sich bei gewissen Themen Hilfe aus der Partei holt. „Ich bin auch nur Ehrenämtlerin und thematisch schon sehr eingefahren. Bei anderen Themen, wie Wirtschaft und Finanzen, brauche ich Zuarbeit, da bin ich ehrlich“, erzählt sie. Bis zu 30 Stunden investiert sie pro Woche in ihr politisches Ehrenamt. Doch warum lohnt es sich, so viel Zeit zu investieren für eine Partei, die einen am liebsten loswerden möchte? „Mir ist das wirklich wichtig, dass sich der gesellschaftliche Blick ändert. Und ich glaube, ohne viel Arbeit, Stress und auch Anecken ist das nicht möglich.“

- Degrassi, Katharina: Anstößiger Post bei Instagram? Greifswalder FDP-Frau hat Ärger mit ihrer Partei, auf: ostsee-zeitung.de (1.3.2025). ↩︎
- @susanne_huldra_schmidt: Beitrag vom 30.1.2025, auf: instagram.com.
↩︎ - Niedermayer, Oskar: Parteimitglieder in Deutschland: Version 2024, S. 21, auf: polsoz.fu-berlin.de (Stand 31.12.2023). ↩︎
- ZDF heute (Hg.): Abtreibungen: Keine Bewegung bei Legalisierung, auf: zdf.de (10.2.2025). ↩︎

