Die Grafik zeigt ein Zitat von Monika Naß, der Geschäftsführerin der Awo in Wismar. Sie sagt: Es darf nicht sein, dass finanzielle Fragen auf dem Rücken Betroffener ausgetragen werden.

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Interview

„Hilfe muss verlässlich sein“

Die neue Beratungsstelle STARKpunkt in Klütz bietet Schutz und Unterstützung für Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Geschäftsführerin Monika Naß von der Arbeiterwohlfahrt Wismar spricht über den Entschluss zur Eröffnung und das gemeinsame Ziel aller Akteur:innen in der Beratungslandschaft.
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KATAPULT MV: Ende des Jahres musste die Beratungsstelle in Grevesmühlen schließen. Mitte Mai wurde in Klütz die neue Beratungsstelle STARKpunkt eröffnet. Was hat Sie als Trägerin zur Übernahme bewogen?

Monika Naß: Als Awo Wismar war das zunächst kein naheliegender Schritt. Unser Hauptfokus liegt traditionell auf der Kinder- und Jugendhilfe, dem Betrieb von Kindertageseinrichtungen sowie einer Schule in freier Trägerschaft und der Natur- und Umweltbildung. Im Bereich Beratung sind wir bisher nur an einem Standort in der Migrationsberatung tätig. Doch als klar wurde, dass es im Landkreis nach der Schließung einer bestehenden Beratungsstelle vorerst keinen Anlaufpunkt für gewaltbetroffene Menschen mehr geben würde, haben wir die Situation neu bewertet.

Was hat den Ausschlag gegeben?

Es war letztlich eine Entscheidung aus Überzeugung und im Sinne der Betroffenen. In Gesprächen mit Gleichstellungsbeauftragten und Akteur:innen aus der Region wurde deutlich, wie wichtig ein kontinuierliches Hilfsangebot vor Ort ist. Dass wir bereits ein Frauenschutzhaus in Wismar betreiben, hat gezeigt: Wir verfügen über fachliche Kompetenzen und ein engagiertes Team. Das war die Basis, um gemeinsam mit allen Beteiligten Verantwortung zu übernehmen.

Haben Sie sich dabei auch mit dem vorherigen Träger abgestimmt?

Selbstverständlich. Die Entscheidung zur Übernahme war kein Wettbewerb, sondern Ausdruck eines solidarischen Miteinanders. Hilfe muss verlässlich sein – unabhängig von Trägerschaften. Wir stehen dazu im engen Austausch und verlieren das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen: verlässliche und erreichbare Hilfe für Betroffene häuslicher Gewalt, aber auch auskömmliche Finanzierung für die Träger, die diese wichtige Arbeit leisten.

Seit Mitte Mai hat die neue Beratungsstelle in Klütz geöffnet. Wie ist es angelaufen?

Der Aufbau war ein intensiver, aber konstruktiver Prozess. Wir konnten eine erfahrene Mitarbeiterin aus unserem Team gewinnen, die bereits zuvor im Frauenschutzhaus Wismar tätig war und so über ausgeprägte Kompetenzen verfügt. Es gelang auch, Synergien innerhalb des Trägers zu nutzen – zum Beispiel, dass wir das neue Angebot in bereits bestehende Räumlichkeiten in Klütz integriert haben. Die Beratungsstelle wurde eng mit unserem Frauenhaus abgestimmt.

Wie ist die Nachfrage seit der Eröffnung?

Die Bekanntheit vor Ort wächst stetig. Das ist ein Prozess, denn viele Menschen wissen noch nicht, dass es ein neues Angebot gibt – und dass dieses unter einer anderen Trägerschaft an einem neuen Ort weitergeführt wird. Durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit, Informationsmaterial und Netzwerkarbeit im Landkreis machen wir das neue Angebot sichtbar.

Wir setzen dabei auf verschiedene Kanäle: Neben gezielter Netzwerkarbeit im Landkreis und persönlicher Ansprache drucken wir aktuell Flyer und Plakate. Auch digitale Wege nutzen wir intensiv, etwa über unsere Social-Media-Kanäle. Zudem beteiligen wir uns an landesweiten Initiativen, wie etwa der Plakataktion in öffentlichen Gebäuden – dort finden sich in den Sanitärbereichen Hinweise auf Hilfsangebote, auch zu unserer neuen Beratungsstelle. Diese Materialien wurden entsprechend aktualisiert. Informationsflyer werden außerdem an Orten wie Arztpraxen ausgelegt, um niedrigschwelligen Zugang zur Beratung zu ermöglichen. Die Reaktionen aus der Region sind sehr positiv.

Was ist Ihnen mit STARKpunkt besonders wichtig?

Unser Anspruch ist, dass sich Menschen, die von Gewalt betroffen sind, sicher, ernst genommen und gestärkt fühlen – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder Lebenssituation. Wir arbeiten diskriminierungssensibel, parteilich für Betroffene und orientieren uns an der Istanbul-Konvention. Unser Name „STARKpunkt“ steht für den Mut zur Veränderung und den Beginn eines neuen, gewaltfreien Lebensweges.

Durch das Frauenhaus haben Sie ja schon länger einen Einblick in die Situation von gewaltbetroffenen Frauen. Wie hat sich die Situation entwickelt, wie nötig sind solche Beratungsstellen?

Der Bedarf ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Und es müssen viel mehr Frauen abgewiesen werden, als aufgenommen werden können. Wir haben zum Beispiel zwölf Plätze, davon sind fünf für Frauen und der Rest für betroffene Kinder. Im vergangenen Jahr mussten wir aber weitere 87 Frauen abweisen. Der Bedarf ist also riesig.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Beratungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern?

Wir brauchen langfristige Planungssicherheit und eine verlässliche Finanzierung dieser Angebote. Die Träger stehen gemeinsam für dieses Ziel – und es darf nicht sein, dass finanzielle Fragen am Ende auf dem Rücken Betroffener ausgetragen werden. Beratungsarbeit braucht Kontinuität, Fachlichkeit und Zeit. Unser Engagement basiert nicht auf Konkurrenzdenken, sondern auf Kooperation und Solidarität.

Die Grafik zeigt wo in Mecklenburg-Vorpommern Beratungstellen für Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt sind. Auch Frauenhäuser im Bundesland sind vermerkt. Neu ist die Beratungsstelle in Klütz.

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Autor:in

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

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