Erst im vergangenen November gab es ein Aufatmen in den Beratungsstellen für Antidiskriminierung in MV. Die Förderung des Bundes für die Projekte wurde um ein Jahr verlängert – bis Januar 2026. Der Aufbau der drei Stellen und die Bundesmittel sollten ein Schritt auf dem Weg hin zu einer flächendeckenden Antidiskriminierungsstruktur darstellen. Erst im November 2024 war MV der bundesweiten Koalition gegen Diskriminierung beigetreten – als 14. Bundesland.1 Nur Bayern und Sachsen-Anhalt beteiligen sich bislang noch nicht.
Wer will das bezahlen – Bund oder Land?
Jetzt aber stehen die gerade erst aufgebauten Strukturen wieder auf der Kippe: Bisher gibt es noch keine Folgefinanzierung für die Beratungsstellen. Beraterin Friederike Wardenga von der Antidiskriminierungsstelle in Greifswald befürchtet, dass sie schon ab diesem Herbst die Beratungen für von Diskriminierung Betroffene aussetzen müssen. Fraglich sei auch, ob die Mitarbeitenden überhaupt bis Ende des Jahres bleiben und auf eine Weiterfinanzierung hoffen können. Eine solche könnte erneut über die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zustande kommen. Ob und wenn ja, wie hoch sie ausfallen könnte, ist jedoch offen. Das Land wiederum, für das Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) die Arbeit der Stellen im Rahmen der Konferenz als „unschätzbar“ lobte, hält sich bisher zurück. Laut dem Leiter des Aufbaustabs der Landes-Antidiskriminierungsstelle im Justizministerium warte man auf die Haushaltsverhandlungen des Landtages. Mit einem fertigen Haushalt und damit fest planbaren Mitteln ist aber wohl erst Ende des Jahres zu rechnen.
„Die Struktur in der Fläche muss gehalten werden“, betonte Moderatorin Maria Lichtermann auf der Konferenz. Wenn Personen Diskriminierung erführen und keine Hilfe bekämen, sinke das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die Nachfrage sei da, gibt auch Wardenga zu bedenken. So gebe es landesweit mit fast 90 Beratungsfällen in der ersten Hälfte dieses Jahres schon annähernd so viele wie im gesamten Jahr 2024.

Die zehn Mitarbeitenden, die in den drei Beratungsstellen alle in Teilzeit angestellt sind, wurden während der Aufbauphase umfassend geschult. Eine Qualifikation, die wegbrechen würde.
Alle Beteiligten geben an, die Arbeit dringend aufrechterhalten zu wollen. Die Frage ist nur, ob am Ende die nötigen finanziellen Mittel da sind oder neue Fördermöglichkeiten erschlossen werden können. Gerade für Letzteres brauche es jedoch Zeit, die sie in den Beratungsstellen einfach nicht hätten, sagt Wardenga. „Am Ende ist es eine Frage der Priorität des Landes, wie viel in den Aufbau von Antidiskriminierungsarbeit investiert wird“, kommentierte Monique Tannhäuser vom Landesfrauenrat während der Podiumsdiskussion im Anschluss.

Landesdiskriminierungsgesetz in der Warteschleife
Für Justizministerin Bernhardt, die ein Grußwort zur Konferenz hielt, sei Gleichberechtigung „eine tragende Säule“ der Gesellschaft. Sie sei ein Grundrecht und sie sehe den politischen Auftrag, dieses zu fördern. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei in Deutschland bereits ein Meilenstein erreicht worden, so Bernhardt. Damit seien Schutzrechte gesetzlich verankert worden. Allerdings werde es seinem Anspruch nicht vollständig gerecht. Viele Betroffene würden das Gesetz gar nicht kennen – und damit auch ihre Rechte nicht. Außerdem gebe es hohe bürokratische Hürden, zu knappe Fristen und Lücken bei den benannten Formen von Diskriminierung im Gesetz. Eine zentrale Schwäche sei zudem, wie Rechtsanwältin und Antidiskriminierungsberaterin Maryam Hashemi Yekani in ihrem Impulsvortrag unterstrich: Das Gesetz wirkt nicht bei Diskriminierung im öffentlich-rechtlichen Bereich, also durch Verwaltung, in der Schule oder bei der Polizei. Hier liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern, weshalb der Bund mit dem AGG nicht dort hineinwirken kann.

Daher solle ein sogenanntes Landesausführungsgesetz zum AGG in MV eingeführt werden, bestätigte Bernhardt. Damit würde MV an Berlin anknüpfen, wo es bereits seit Mitte 2020 ein Landesantidiskriminierungsgesetz gibt, welches das Land in die Pflicht nimmt. Derzeit befinde sich der Referentenentwurf in den unterschiedlichen Ministerien zur Abstimmung. Man hoffe aber darauf, in den kommenden zwei Monaten eine Einigung zu erzielen, so Bernhardt. Noch in dieser Legislaturperiode – so wie es auch der rot-rote Koalitionsvertrag vorsieht2 – soll das Gesetz in Kraft treten. Wann genau, darauf gab es gestern keine Antwort.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, der Aufbaustab der Landesantidiskriminierungsstelle gehöre zum Sozialministerium. Er war auch ursprünglich dort angesiedelt, ist aber mittlerweile am Justizministerium angedockt. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert.
Weiterlesen:
- Diskriminierung an der Clubtür
- Hausrecht oder Diskriminierung?
- Leider kein Einzelfall
- Diskriminierung ukrainischer Schüler:innen?
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hg.): Absichtserklärungen der Bundesländer, die der Koalition gegen Diskriminierung bislang beigetreten sind, auf: antidiskriminierungsstelle.de / Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz (Hg.): M-V tritt der „Koalition gegen Diskriminierung“ bei, auf: regierung-mv.de (21.11.2024). ↩︎
- SPD, Die Linke (Hg.): Aufbruch 2030, S. 65, auf: spd-mvp.de. ↩︎