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Verschwörungsfantasien

Verschwörungsguru Daniele Ganser tourt durch Schwerin

Daniele Ganser tourt aktuell mit verschwörungsideologischen Vorträgen durch Deutschland. Er will auch in Schwerin auftreten. Bereits vor zwei Jahren gab es Protest gegen seinen Auftritt in Rostock. Was macht den Schweizer so gefährlich?
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Daniele Ganser will am 15. Mai in der Schweriner Sport- und Kongresshalle einen Vortrag zum Thema „Ist Weltfrieden möglich?“ halten. Vor zwei Jahren war er bereits Thema bei KATAPULT MV. Damals besuchte der Verschwörungsguru mit seinem Vortrag die Hansestadt Rostock. Wir berichteten darüber und lösten in den Sozialen Medien eine Flut von Kommentaren aus. Denn: Daniele Ganser ist beliebt. Aber: Er ist auch gefährlich.

Gezielte Suggestivfragen

„Er vermittelt geschickt Feindbilder“, sagt Daniel Trepsdorf über Ganser. Trepsdorf ist Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg. Statt, wie andere Verschwörungsideolog:innen, zu Gewalt aufzurufen, stellt Daniele Ganser gezielt Suggestivfragen, die Zweifel säen sollen, und mischt seriöse mit unseriösen Quellen. Trepsdorf erklärt den Absolutheitsanspruch, den Ganser dabei vertritt: „Es kommt bei seinen Vorträge nie zu kritischen Fragen. Alle, die nicht seiner Meinung sind, sind gegen ihn.“1 In seinem Artikel Die Methode Ganser beschreibt Michael Butter, Professor für Amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte an der Universität Tübingen, dass der Schweizer fast wie ein Guru auftrete. Seine Fans glauben, dass sie durch ihn zur Erleuchtung und Wahrheit kommen. Alles, was sich gegen den Guru richtet, muss also falsch und böse sein.2 Wie unsere Berichterstattung zu Gansers Vortrag damals in Rostock.

Doch was genau sind Gansers Positionen? Angefangen als promovierter Geschichtswissenschaftler, ist der Schweizer inzwischen in der rechten und verschwörungsideologischen Szene verankert. Die Initiative gegen Rechtsextremismus Endstation Rechts beschreibt seine Vorträge als „Pilgerevents für Menschen, die zwischen Verschwörungsglauben, Querdenken, Putin-Anhängerschaft und Antiamerikanismus pendeln“.3 So suggeriert Ganser in seinen Vorträgen beispielsweise, dass die US-Regierung den Anschlag vom 11. September auf das World Trade Center inszeniert hätte.

Nähe zum Rechtsextremismus

2014 veröffentlichte das rechtsextreme Magazin Compact einen Dialog zwischen Ganser und Karl-Heinz Hoffmann. Compact wurde im Juli 2024 vom Bundesinnenministerium verboten, weil es „antisemitische, rassistische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte“ publiziert. Laut Ministerium „ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“.4 Sprich: Das Magazin ruft zum Umsturz auf.

Karl-Heinz Hoffmann ist Gründer der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann. Zu dieser Gruppe gehörte unter anderem der Mörder von Shlomo Lewin, dem ehemaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Nürnberg, und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke. Die beiden wurden im Dezember 1980 erschossen.5 Ebenfalls zur Gruppe gehörte der Täter des Bombenanschlags auf das Münchner Oktoberfest, bei dem im selben Jahr zwölf Menschen getötet wurden. Es gilt bis heute als der schwerste rechtsterroristische Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik.6 Ganser wurde also von Rechtsextremen eingeladen, mit einem Terroristen zu diskutieren.

Was sagt Schwerin dazu?

35,40 Euro kostet eine Karte für seinen Vortrag in der Schweriner Sport- und Kongresshalle. Die Frage, wie viele Tickets bisher verkauft wurden, haben die Betreiber:innen bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. Was dagegen klar ist: Die Halle hat eine Kapazität von 6.200 Sitzplätzen.7 Gansers geplanter Vortrag im Europasaal der Kongresshalle im baden-württembergischen Böblingen beispielsweise ist bereits ausverkauft. Je nach Bestuhlung ist dort Platz für bis zu 1.900 Personen.8 Daniele Ganser hat also zahlreiche zahlende Fans.

Andreas Katz vom Aktionsbündnis Schwerin für alle findet klare Worte für den Auftritt: „Daniele Ganser nutzt geschickt vorhandene Ressentiments und für Normalverbraucher kaum durchschaubare Manipulationstechniken, um seine abenteuerlichen Verschwörungstheorien gewinnbringend unter die Leute zu bringen.“ Für das Bündnis sei es „völlig unverständlich“, dass ein solcher „Manipulator und Spalter“ in der Kongresshalle der Stadt Schwerin auftreten dürfe.9 Zu der Frage, warum die Halle dem Verschwörungsguru eine Bühne bietet, wollte sich die Geschäftsführung bis Redaktionsschluss allerdings nicht äußern.


Transparenzhinweis: Wir haben den Artikel am 15. Mai um die Rückmeldung des Aktionsbündnisses Schwerin für alle ergänzt.

  1. Telefonat mit Daniel Trepsdorf am 7.5.2025. ↩︎
  2. Butter, Michael: Die Methode Ganser, auf: republik.ch (13.4.2019). ↩︎
  3. Klarmann, Michael: Verschwörungsbooster: Daniele Ganser will große Hallen füllen, auf: endstation-rechts.de (17.1.2023). ↩︎
  4. Bundesministerium des Innern (Hg.): Rechtsextremistische Vereinigungen „Compact-Magazin GmbH“ und „Conspect Film GmbH“ verboten, auf: bmi.bund.de (16.7.2024). ↩︎
  5. Leister, Judith: Uffa Jensen – Ein antisemitischer Doppelmord. Die vergessene Geschichte des Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik, auf: swr.de (10.2.2023). ↩︎
  6. Grundner, Birgit: Gedenken für Opfer – Warnung vor Rechtsruck, auf: tagesschau.de (26.9.2024). ↩︎
  7. Sport- & Kongresshalle Schwerin (Hg.): Mieten, auf: stadthalle-schwerin.de. ↩︎
  8. Telefonat mit einer Mitarbeiterin der Congress Center Böblingen/Sindelfingen GmbH. ↩︎

Autor:innen

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

  • Redakteur in Rostock

    An der Küste MVs aufgewachsen und wieder angekommen; feiert Wind- und Wetterfeste, wie sie fallen. Dazwischen Anthropologe und Kulturaktivist.

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