Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte hat sich das Infektionsgeschehen durch das Vogelgrippe-Virus in MV von sporadischen und saisonalen hin zu ganzjährigen Ausbrüchen entwickelt. Wildvögel – wie zuletzt Kraniche – können dabei sowohl Opfer als auch Verbreiter hochansteckender und tödlicher Virusvarianten wie H5N1 sein. Die Verbreitung des Virus gefährdet weltweit die Artenvielfalt.
Anhand der erfassten Fallzahlen der letzten zwanzig Jahre durch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) lässt sich nachvollziehen, welche Vogelarten und Regionen MVs in welchem Maß von der Vogelgrippe – fachsprachlich Aviäre Influenza – betroffen sind. Dabei fällt auf, dass einerseits die Abstände zwischen den einzelnen Ausbrüchen immer kürzer werden. Andererseits weist das FLI jährlich Infektionen bei neuen Wildvogelarten nach.

Die Aviäre Influenza umfasst mehrere Virus-Subtypen, von denen nur die bekämpfungspflichtig sind, die auch für den Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Ein Subtyp, dessen Variante zu einem schweren Krankheitsverlauf und einer hohen Sterblichkeit führen kann, ist beispielsweise H5N1.
Die Subtypen H5- und H7 sind deshalb so gefährlich, weil deren Varianten mit wenig Symptomen oder mildem Krankheitsverlauf oft spät erkannt werden und in Geflügelbeständen spontan mutieren können.1 Auch H5N1 hat seinen Ursprung in einer Geflügelhaltung und breitet sich seither unter Wildvögeln und diversen Tierarten aus.2
Artenübergreifende Übertragung
In der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung wurde das H5N1-Virus zuletzt sowohl bei Milchkühen in den USA, als auch in Schafbeständen in Großbritannien festgestellt.3 Bei wildlebenden Säugetieren sind kürzlich in Europa – laut Risikoeinschätzung vom April und Mai dieses Jahres – H5N1-Infektionen bei Füchsen in Niedersachsen und Norwegen sowie in einer Robbenkolonie im Süden Englands belegt worden.4 In Mecklenburg-Vorpommern sind bisher keine Fälle infizierter Säugetiere bekannt.
Als nationales Referenzlabor anzeigepflichtiger Tierseuchen ist das FLI für die Überwachung aller Vogelgrippefälle in Deutschland zuständig. Die Schutzmaßnahmen konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf wirtschaftliche Geflügelhaltungen und setzen sich weniger mit dem Schutz von Wildvögeln auseinander.5

Auswirkungen auf Wildvögel und Artenvielfalt
Dass aktuell besonders Kraniche von Infektionen betroffen sind, zeigt, dass der Artenschutz seltener Wildvögel in deutlichem Kontrast zur Mehrfachbelastung der Tiere durch Umwelteinflüsse und Forschungslücken steht. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fordert daher eine „umfassende Erforschung der Verbreitungsmechanismen“ – die Annahme, dass „Infektionswege eine Einbahnstraße sind“, also Wildvögel ausschließlich Nutztiere anstecken, „wäre naiv“.6 Die Kranichbestände hätten sich in den letzten Jahrzehnten nur mühsam erholt. Zusätzlich seien sie aufgrund der klimabedingten, zunehmenden Trockenheit bedroht. Laut dem Nabu-Kranichzentrum rasten zwischen September und November über 120.000 Kraniche in Mecklenburg-Vorpommern.7 Der Naturschutzbund fordert mehr Schutz und den Erhalt wichtiger Lebensräume – wie die Renaturierung von Feuchtgebieten – um den Verlusten durch das Vogelgrippe-Virus entgegenzuwirken.
Die Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds – also die wissenschaftliche Arbeitsgruppe für Vogelgrippe und Wildvögel der Vereinten Nationen – veröffentlichte 2023 eine Stellungnahme zur globalen Situation und den drastischen Folgen des Virus für Wildvögel. Darin stellen sie fest, dass Wildvogelpopulationen und seltene Arten weltweit massiv bedroht sind, es jedoch auch erhebliche Forschungs- und Überwachungslücken gibt. Die Arbeitsgruppe sprach sich insgesamt für eine Reduzierung der Umweltbelastungen und den Schutz von Lebensräumen aus, um die Widerstandsfähigkeit betroffener Wildvögel zu erhöhen. Auch die Neubewertung industrieller Geflügelhaltungen sowie bisher angewandte Biosicherheitsmaßnahmen, seien unausweichlich.8
Weiter steigende Zahlen
FLI-Präsidentin Christa Kühn betonte in der vergangenen Woche, dass die Zahl der mit Vogelgrippe infizierten Tiere „weiterhin stetig steige“. Eine „Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht“, so Kühn.9 Die Dunkelziffer betroffener Tiere sei deutlich höher, tote Wildvögel würden weniger gemeldet, müssten aber schneller geborgen werden.Der Landkreis Vorpommern-Greifswald bittet Bürger:innen deshalb darum, Funde toter Wildvögel umgehend über das Veterinäramt zu melden. Weiterhin sollten auch Hunde von verendeten Vögeln ferngehalten werden.10
- Friedrich-Loeffler-Institut (Hg.) Influenzainfektionen bei Geflügel und Wildvögeln, auf: fli.de. ↩︎
- CMS FAO Co-convened Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds (Hg.) Statement on H5N1 high pathogenicity avian influenza in wild birds. Key Messages, S, 3, auf: cms.int. ↩︎
- Friedrich-Loeffler-Institut (Hg.) Aktuelles: Aviäre Influenza (AI)/ Geflügelpest, auf: fli.de. ↩︎
- Friedrich-Loeffler-Institut (Hg.) Aktuelles: Aviäre Influenza (AI)/ Geflügelpest, Meldungen vom 9. April und 7. Mai 2025, auf: fli.de. ↩︎
- Friedrich-Loeffler-Institut (Hg.) WOAH, FAO und NRL für AI, auf: fli.de. ↩︎
- Naturschutzbund Deutschland (Hg.) News: Wer steckt wen an?, auf: nabu.de. ↩︎
- Kranichschutz Deutschland (Hg.) FAQs, auf: kraniche.de ↩︎
- CMS FAO Co-convened Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds (Hg.) Statement on H5N1 high pathogenicity avian influenza in wild birds. Key Messages, S, 3, auf: cms.int. ↩︎
- Friedrich-Loeffler-Institut (Hg.) Aktuelle Karte zur Geflügelpest verdeutlicht dynamisches Geschehen vom 30.10.2025, auf: fli.de. ↩︎
- Landkreis Vorpommern-Greifswald (Hg.): Vorgehensweise bei Funden toter Wildvögel, auf: kreis-vg.de (29.10.25). ↩︎

