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„Der III. Weg“ zu Gast bei Greifswalder Burschenschaft

Die rechtsextreme Burschenschaft Rugia hat am Wochenende einen Vortrag des Rechtsextremisten und ehemaligen Brandenburger AfD-Politikers Andreas Kalbitz veranstaltet. Der Einladung folgten auch mehrere Mitglieder und Aktivisten der rechtsextremen Kleinstpartei Der III. Weg. Darunter waren augenscheinlich Minderjährige. Eine Analyse der Teilnehmenden.
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Das Gebäude der Burschenschaft Rugia in der Robert-Blum-Straße liegt fast im Zentrum von Greifswald – nur ein paar Fußminuten vom Marktplatz entfernt mit direkter Sicht auf das Theater und ein beliebtes Restaurant. Von außen wirkt die graue Stadtvilla beinahe unbewohnt und leer. Einige Fenster haben Risse, andere sind mit Milchglasfolie beklebt. Kein Vorhang, keine Lampe, keine Dekoration lässt darauf schließen, dass hier Menschen leben. Der Eindruck täuscht.

Denn hier befindet sich der Hauptsitz einer konservativen und rechtsextremen Burschenschaft, die bereits 1856 gegründet wurde.1 Bekannte Mitglieder sind der AfD-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning2, AfD-Landtagsabgeordneter Martin Schmidt3 und der ehemalige NPD-Aktivist Max Bartusch.

Am Abend des 26. April fand bei der Rugia ein Vortrag mit dem ehemaligen brandenburgischen Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz statt. Der Rechtsextremist referierte über „Sozialpolitik von rechts“. Kalbitz war bis 2020 Mitglied der AfD, wurde allerdings von der Partei ausgeschlossen. Er soll seine frühere Mitgliedschaft in der rechtsextremen und mittlerweile verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend verheimlicht haben. Kalbitz ist außerdem für seine völkisch-nationale Gesinnung bekannt.4

Die Gäste

Gegen 18 Uhr – eine Stunde vor Vortragsbeginn – hatten sich bereits rund 100 Gegendemonstrierende vor dem Gebäude der Burschenschaft versammelt. Mehrere Polizist:innen und Einsatzwagen bewachten die Demo und leiteten ankommende Rugia-Gäste in das Haus. Überraschend: Einer der Kalbitz-Zuhörer kam komplett vermummt am Gebäude an und wurde unter Polizeibegleitung bis zum Zauntor geleitet. Da die Person an keiner öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel teilnahm, verstieß dieses Verhalten nicht gegen das Vermummungsverbot nach § 17a Versammlungsgesetz.

Ein komplett vermummter Gast der Burschenschaft Rugia wird von der Polizei zum Gebäude geleitet.
Ein komplett vermummter Gast der Burschenschaft Rugia wird von der Polizei zum Gebäude geleitet.

Zwischen 18 und 19 Uhr trafen zwei weitere Zuhörergruppen am Haus der Burschenschaft ein. Beide setzten sich aus Jungen und Männern zusammen, die sich größtenteils dem Umfeld der rechtsextremen Kleinstpartei Der III. Weg zuordnen lassen. Sie wurde 2013 in Heidelberg gegründet und hat seit 2023 auch einen Ableger in Mecklenburg-Vorpommern. Mitglieder und Anhänger der Partei waren bereits häufiger auf Kampfsportveranstaltungen aktiv, unterhalten Verbindungen zu regionalen Sporteinrichtungen oder nehmen an rechtsextremen Vernetzungstreffen wie dem „Tollensemarsch“ in Neubrandenburg oder dem Naziaufmasch am 8. Mai in Demmin teil. Der Verfassungsschutz MV schätzt den III. Weg als gewaltorientiert und rechtsextrem ein.5


Einer der Teilnehmer war der bekannte Kampfsportler und III.-Weg-Akteur David Mallow. Mallow hat nachweislich an mehreren Kampfsporttrainings in Pasewalk und Güstrow teilgenommen.6 Begleitet wurde Mallow von Robert Neidhardt – ehemaliges Mitglied des inzwischen verbotenen rechtsextremen Aktionsblogs7 – und mehreren Jugendlichen, die im März an einem III.-Weg-Aufmarsch in Berlin teilgenommen haben.8 Einige davon waren augenscheinlich minderjährig. Mallow ist vor allem im Landkreis Rostock aktiv.

David Mallow (3.v.l.), Robert Neidhardt (1.v.r.) und mehrere Jugendliche aus dem III.-Weg-Umfeld auf dem Weg zur Burschenschaft Rugia.
David Mallow (3.v.l.), Robert Neidhardt (1.v.r.) und mehrere Jugendliche aus dem III.-Weg-Umfeld auf dem Weg zur Burschenschaft Rugia.

In einer zweiten Gruppe trafen Kevin Jeske, Robert Porsch und Alexander Wündsch in der Rugia ein. Alle drei gelten als aktive Mitglieder des III.-Weg-Ablegers Nord/Ost und leben in Pasewalk und Strasburg. Gemeinsam nahmen sie im März 2024 auch am rechtsextremen Vernetzungstreffen „Tollensemarsch“ in Neubrandenburg teil.9

Weiterlesen: Alljährliches Neonazistreffen: Tollensemarsch in Neubrandenburg

Von links nach rechts: Kevin Jeske, Roy Porsch und Alexander Wündsch.
Von links nach rechts: Kevin Jeske, Roy Porsch und Alexander Wündsch.

Selbstbewusst hinter verschlossenen Türen

Immer wieder beobachteten Burschenschaftler und Rechtsextreme durch die Fenster und Türen die Gegendemonstrierenden. Ein Rugia-Mitglied trat sogar auf den Balkon der Stadtvilla und filmte die Demo. Auf seinem Handy klebte ein Donald-Trump-Sticker.

Ein Rugia-Burschenschaftler filmt die etwa 100 Gegendemonstrierenden von einem Balkon aus.
Ein Rugia-Burschenschaftler filmt die etwa 100 Gegendemonstrierenden von einem Balkon aus.

Durch das Milchglas des Haupteingangs warfen mehrere Teilnehmer regelmäßig Blicke. Darunter Jurist Max Bartusch, der in der Vergangenheit für die mittlerweile verbotene NPD Flyer verteilt haben soll.10

Max Bartusch (2.v.l.) und einige mutmaßlich minderjährige III.-Weg-Anhänger im Haupteingang der Burschenschaft.
Max Bartusch (2.v.l.) und einige mutmaßlich minderjährige III.-Weg-Anhänger im Haupteingang der Burschenschaft.

Fazit

Der Vortrag in Greifswald zeigt, wie Mitglieder einer jungen und gewaltbereiten Partei versuchen, Anschluss an traditionelle rechte Strukturen wie Burschenschaften zu finden und Akteure verschiedener Regionen miteinander zu vernetzen. Dabei werden offensichtlich gezielt Minderjährige fest in die Szene eingebunden. Das Thema des Abends „Sozialpolitik von rechts“ markiert das Handlungsfeld, in dem sich beide rechtsextreme Gruppen aktuell und zukünftig bewegen wollen.

  1. Rugia Greifswald (Hg.): Über uns, auf: rugia-greifswald.de. ↩︎
  2. Fredrich, Benjamin: 76 Prozent rechtsextrem, auf: katapult-mv.de (24.6.2021). ↩︎
  3. @rugia_greifswald: Beitrag vom 4.10.2023, auf: instagram.com. ↩︎
  4. Metzner, Thorsten: Aus für Andreas Kalbitz, auf: tagesspiegel.de (26.6.2024). ↩︎
  5.  Innenministerium MV (Hg:): Verfassungsschutzbericht 2023, S. 43, auf: verfassungsschutz-mv.de (Juni 2024). ↩︎
  6. KATAPULT MV (Hg.): Kampfsport und Naziideologie: Wie „Der III. Weg“ in MV Nachwuchs rekrutiert, auf: katapult-mv.de (22.7.2024). ↩︎
  7. Oben Rechts (Hg.): Dritter Weg als Ersatzorganisation des Aktionsblogs?, auf: oben-rechts.org (29.8.2023). ↩︎
  8. Aus dem Weg (Hg.): III. Weg Aufmarsch in Berlin Hellersdorf, auf: ausdemweg.net (1.4.2025). ↩︎
  9. Oben Rechts (Hg.): Pasewalker Neonazis beim Tollensemarsch, auf: oben-rechts.org (3.3.2024). ↩︎
  10. KATAPULT MV (Hg.): Greifswalder Neonazi als seriöser Anwalt?, auf: katapult-mv.de (28.4.2022). ↩︎

Autor:in

  • Bild von Patrick Hinz, Chefredakteuer Katapult MV

    Chefredakteur

    Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis.

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