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Parchim wird laut für Vielfalt und Toleranz

Etwa 150 Menschen demonstrierten gestern in Parchim für Vielfalt und die Rechte Queerer – begleitet von einer rechtsextremen Gegendemonstration. Unter den Rechten: Mitglieder gewaltbereiter Gruppen.
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Am Samstag fand in Parchim (Ludwigslust-Parchim) die erste, an den Christopher Street Day (CSD) angelehnte Demonstration statt. Weltweit beteiligen sich Menschen an CSDs – gestern zum Beispiel Hunderttausende in Budapest oder München1 – und setzen sich so für die Rechte Queerer ein. Das Motto in Parchim: Liebe besiegt jeden Hass. Angemeldet wurden bis zu 200 Personen – etwa 150 Menschen haben sich beteiligt.2
In den letzten Jahren werden solche Veranstaltungen vermehrt von Rechtsextremen bedroht und gestört – zuletzt etwa im brandenburgischen Bad Freienwalde.3
Auch in Parchim wurden im Vorfeld zwei Gegendemonstrationen für insgesamt 140 Teilnehmer:innen aus dem rechten Spektrum angemeldet, wie der Landkreis auf Nachfrage von KATAPULT MV mitteilte.4 Als Vorwand diente dabei der vermeintliche Kinderschutz.5

Friedlicher Demozug durch die Parchimer Innenstadt.

Bunte Reisewelle nach Parchim

Trotz rechter Mobilisierung im Vorfeld fanden sich am Parchimer Bahnhof etwa 150 Menschen zusammen, um für Toleranz, Vielfalt und die Rechte Queerer zu demonstrieren. Daran teilgenommen haben neben Menschen aus Parchim verschiedene Bündnisse und Gruppierungen wie etwa die Initiative für Demokratie und Vielfalt in Ludwigslust, die Linksjugend solid, die Schweriner Regionalgruppe der Omas gegen Rechts, Vertreter:innen der Jusos und von Pride Rebellion. Auch ein Bus mit etwa 40 Personen vom Fusion-Festival in Lärz (Mecklenburgische Seenplatte) reiste zur Unterstützung an.

Auf der abschließenden Kundgebung am Parchimer Schuhmarkt meldeten sich unter anderem MVs Gleichstellungsministerin Jacqueline Bernhardt (Die Linke) und die Landtagsabgeordnete Steffi Pulz-Debler (Die Linke) zu Wort. Gegen 16:40 Uhr wurde die Demo, die vom Bahnhof durch die Innenstadt geführt hatte, offiziell für beendet erklärt. Die Polizei stellte eine Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsgesetz.6
Ursprünglich war nach der Demo noch eine gemeinsame Veranstaltung – erst ein Konzert, dann eine Party, schließlich ein gemütliches Get-together geplant. Aus Angst vor Repressionen sagten jedoch mehrere Locations den Veranstalter:innen ab.7

Auf dem Parchimer Schuhmarkt fand die Demo für Vielfalt ihren Höhepunkt.

Rechtsextreme Strukturen und Jugendliche

Zeitgleich mit der bunten Demonstration sollte am Bahnhof um 14 Uhr auch die Gegenveranstaltung mit 120 angemeldeten Teilnehmer:innen starten, die aus den zwei ursprünglichen Demos zu einer zusammengefasst wurde. Das Motto: Schützt unsere Kinder. Laut Polizeiangaben haben in der Spitze jedoch lediglich 26 Menschen teilgenommen.
Unter ihnen waren Anhänger:innen der rechtsextremen Gruppierung Aryan Circle, die aus der Region rund um Wismar (Nordwestmecklenburg) kommen. Einige davon nahmen Anfang März an einer Demo der Jugendgruppe Division Schwerin in Wismar teil.8 Der Aryan Circle gilt als äußerst gewaltbereit. 9Weiterhin trugen mehrere Männer Shirts und Westen der Parchimer Patrioten. Sie gehörten zu den ältesten Teilnehmern. Die Jüngsten waren augenscheinlich zwischen 11 und 13 Jahre alt.

Marcel S. (zweiter von rechts) gilt als gewaltbereiter Anhänger des Aryan Circles.
Minderjährige führen den rechtsextremen Aufzug gemeinsam mit NPD-Anhänger Robert B. aus Nordrhein-Westfalen an.
Parchimer Patrioten: der 1488-Aufnäher steht für ein rassistisches Glaubensbekenntnis und Symphatie mit Adolf Hitler.

Gegen einen Teilnehmenden der rechtsextremen Demo wurde eine Anzeige wegen der Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole gestellt. Er trug ein Shirt mit der verbotenen Parole Blut und Ehre, die von der Hitlerjugend genutzt wurde. Später drehte er sein Shirt auf links und konnte so weiterhin an der Demo teilnehmen. 

Dieser Mann erhielt wegen des Blut und Ehre-Schriftzuges auf seinem Shirt eine Anzeige. Er wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach im Umfeld des Aryan Circles beobachtet.
Mit Rechtsrock zogen die knapp 30 Rechtsextremen durch die Parchimer Straßen.

Die Polizei zeigte sich im Nachgang der Veranstaltungen zufrieden. Beide seien friedlich verlaufen. Am Rande der bunten Demonstration schirmten Beamte nur vereinzelt mutmaßliche Rechte ab. 130 Polizeibeamte von Landes- und Bundespolizei waren im Einsatz.

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Ergänzung vom 30. Juni 2025, 10:00 Uhr:

Unter den Teilnehmenden der rechtsextremen Demo befanden sich Robert und Sandra B. aus Bochum. Beide wurden in der Vergangenheiten auf mehreren Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen gesehen10, die aus dem NPD-Umfeld und der Querdenkenszene organisiert wurden.

Sandra B. (orange Weste) auf dem rechtsextremen Aufmarsch am 28. Juni in Parchim.
  1. Soos, Oliver: „Stinkefinger“ für Orban, auf: tagesschau.de (28.6.2025) / Rehm, Günter; Jordan, Frank; Berninger, Simon: Bunte Politparade für queere Vielfalt, auf: tagesschau.de (28.6.2025). ↩︎
  2. Polizeipräsidium Rostock: Versammlungsgeschehen in Parchim am 28. Juni 2025, auf: presseportal.de (28.6.2025). ↩︎
  3. RBB (Hg.): Vermummte greifen Besucher von Vielfaltsveranstaltung in Bad Freienwalde an, auf: rbb24.de (16.6.2025). ↩︎
  4. E-Mail der Pressestelle des Landkreises Ludwigslust-Parchim vom 23.6.2025. ↩︎
  5. Telefonat mit der Pressestelle des Landkreises Ludwigslust-Parchim am 25.6.2025. ↩︎
  6. Polizeipräsidium Rostock: Versammlungsgeschehen in Parchim am 28. Juni 2025, auf: presseportal.de (28.6.2025). ↩︎
  7. Telefonat mit Resistance MV am 24.6.2025. ↩︎
  8. Biedermann, Lilly: Jugendjahre einer Naziclique, KATAPULT MV Ausgabe 45, S. 12 ↩︎
  9. Spiegel (Hg.): Extrem brutal, auf: spiegel.de (3.3.2020). ↩︎

Autor:innen

  • Chefredakteur

    Geboren in Vorpommern, aufgewachsen in Mecklenburg. Einziger KATAPULT-Redakteur mit Traktorführerschein UND Fischereierlaubnis.

  • Redakteurin und Betriebsrätin in Greifswald

    Geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin und Brandenburg. Tauschte zum Studieren freiwillig Metropole gegen Metropölchen.

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