Am Morgen des 29. April haben drei Akteure der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) am Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten Flyer an Schüler:innen verteilt. Auffällig: Für die Flyer – in denen größtenteils unbelegte, rassistische Behauptungen vorgebracht werden1 – wurde ein Aufsteller am Schuleingang platziert, der einen Schlumpf zeigt.

Damit wollten die Rechtsextremen offenbar an einen Vorfall erinnern, der sich vor einem Jahr an dem Gymnasium zugetragen hat: Eine Schülerin soll von Polizisten aus dem Unterricht geführt worden sein, weil sie ein rassistisches Video mit einem Schlumpf in den Sozialen Netzwerken geteilt haben soll. Wie sich herausstellte, lief der Polizeieinsatz jedoch anders ab. Auslöser waren mehrere staatsschutzrelevante Beiträge und Äußerungen der Schülerin.2

Auf dem Kanal der Identitären Bewegung Mecklenburg-Vorpommern auf der Plattform X bestätigt sich dieser Verdacht. Hier erschien am Nachmittag des 29. April ein Beitrag mit mehreren Bildern der Aktion. „Der Skandal-Schlumpf ist zurück!“, heißt es auf einem der Fotos.3
Außerdem sind drei IB-Aktivisten zu sehen: Philipp L., Martin S. und Hannes Krünägel. Letztere beide nahmen im März an einem Vortrag des Rechtsextremisten Martin Sellner in Rostock teil.4 Unter den Gästen war ebenfalls IB-Aktivist Daniel Funke, der Mitgründer des rechtsextremen Vereins Neustart Kranichland ist. Der Verein ist in und um Ribnitz-Damgarten aktiv und hat Verbindungen zur AfD, IB, NPD und zu Pegida (KATAPULT MV berichtete). Daniel Funkes Bruder Florian sitzt derzeit für die AfD in der Stadtvertretung von Ribnitz-Damgarten. Er nahm gemeinsam mit seinem Bruder im Dezember an einer Kundgebung der verschwörungsideologischen Gruppe Bürgerforum Ribnitz-Damgarten teil.5
Rassistische Inhalte ohne glaubwürdige Quellen
Unter dem Titel „Lehrer hassen diese Fragen“ sind auf dem Flyer vier Schwerpunkte zu finden: sexuelle Übergriffe auf Frauen durch Menschen aus dem Ausland, Anteil von Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund, die Sozial-, Gesundheits- und Steuerpolitik in Deutschland sowie „Remigration“. Der Begriff wurde unter anderem durch den Kopf der IB Martin Sellner populär.6

Lediglich einer der vier Schwerpunkte wird mit einer Quelle abgebildet: demografie-europa.eu. Die Plattform wird laut Impressum vom Münchner AfD-Politiker Bernhard Zimniok betrieben. Zimniok saß zwischen 2019 und 2024 für die Rechtsaußenpartei im Europaparlament. 2018 soll er in einer AfD-Chatgruppe vorgeschlagen haben, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.7
Die weiteren drei Punkte bleiben bloße Behauptungen ohne Belege. Der Appell an Lesende am Ende des Flyers: „Komm zur Identitären Bewegung. (…) Wehr dich, werde aktiv!“ Als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts wird Vincenzo Richter angegeben. Richter gilt als Ortsgruppenleiter der IB in Chemnitz.8

Fehlendes Engagement
Mindestens eine Stunde soll der Aufsteller mit den Flyern vor der Schule gestanden haben, ohne dass Schulleitung, Polizei oder Ordnungsamt etwas dagegen unternommen hätten. So beschreibt es der Ribnitzer Einwohner Georg9.
Er habe an diesem Morgen gegen 7:30 Uhr von dem Aufsteller erfahren und sei etwa eine Stunde später zur Schule gefahren, um sich selbst ein Bild davon zu machen. Die Aktivisten der Identitären Bewegung sollen zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden gewesen sein. Der Aufsteller samt radikaler Flyer nicht, sodass nach wie vor Kinder und Jugendliche auf dem morgendlichen Weg in die Schule damit in Kontakt gekommen seien. Zwischen 400 und 500 Schüler:innen besuchen das Gymnasium.10
Entsetzt über die ausbleibende Reaktion der Schule – erst recht nach der medialen Aufmerksamkeit im April 2024 – habe Georg beschlossen, den Aufsteller selbst abzubauen. Anschließend sei er damit zum Ordnungsamt gefahren. Hier habe man ihm erklärt, sich den Sachverhalt im Laufe des Tages ansehen zu wollen. Das bestätigt Sachbearbeiter Dirk Hunsemann KATAPULT MV am Telefon. Ob der Aufsteller auf dem Schulgelände oder im öffentlichen Raum stand, könne Hunsemann aber nicht sagen, da ihm kein Bildmaterial vorliege. Sollte auf den Flyern allerdings verfassungsfeindliche Symbole zu sehen sein, hätte die Polizei informiert werden sollen, so Hunsemann.
Verantwortung in der Zivilgesellschaft?
Der Vorfall reiht sich ein in eine zunehmende Zahl rechtsextremer Aktionen im öffentlichen Raum. Insbesondere die Identitäre Bewegung nutzt dabei provokante Symbole und gezielte Desinformation, um junge Menschen zu erreichen – in diesem Fall gänzlich unbehelligt.
Die Schulleitung des Gymnasiums war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Weiterlesen zur Identitären Bewegung:
- Von Rostock nach Österreich: Die Verbindungen der Identitären Bewegung
- Rechtsextreme Verflechtungen in Ribnitz-Damgarten
- Bildmaterial liegt der Redaktion vor. ↩︎
- Biedermann, Lilly; Rust, Martje: AfD-Schlumpfvideo ist nur die Spitze des Eisbergs, auf: katapult-mv.de (21.3.2024). ↩︎
- @identitaere_mv: Beitrag vom 29.4.2025, 13:39 Uhr, auf: x.com. ↩︎
- Biedermann, Lilly: Geheimes Treffen der rechtsextremen Szene bei Rostock, auf: katapult-mv.de (4.3.2025). ↩︎
- KATAPULT MV (Hg.): AfD bekennt sich zu ihrem extrem rechten Vorfeld, auf: katapult-mv.de (11.12.2024). ↩︎
- Bensmann, Marcus u.a.: Geheimplan gegen Deutschland, auf: correctiv.org (27.2.2024). ↩︎
- Tagesspiegel (Hg.): AfD-Politiker sollen in internem Chat Umsturzpläne geäußert haben, auf: tagesspiegel.de (1.12.2021). ↩︎
- Litschko, Konrad: Identitäre versuchen es noch mal, auf: taz.de (28.11.2023). ↩︎
- Name von der Redaktion geändert. ↩︎
- Lehrer-in-MV.de (Hg.): Gymnasium „Richard Wossidlo“ Ribnitz-Damgarten, auf: lehrer-in-mv.de. ↩︎

