Die Grafik zeigt, wo es in MV überall Standorte der Bundeswehr gibt. Am Standort Schwerin findet am 15.6. der nationale Veteranentag statt.

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Bundeswehr

Veteranentag in Schwerin: Kriegsverherrlichung oder gesellschaftlich notwendig?

Zum ersten Mal findet in Deutschland der Veteranentag statt. Auch in Schwerin wird es einen Festakt geben. Gleichzeitig wurde Gegenprotest angekündigt. Denn der Tag ist umstritten.
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Im letzten Jahr beschlossen die Mitglieder des Bundestages, mit Ausnahme der Fraktion der Linken, die Einführung eines jährlichen nationalen Veteranentages am 15. Juni.1 Damals wurde festgelegt, ein „nachhaltiges und zeitgemäßes Konzept“ zur Durchführung zu erarbeiten.2 Neben Veranstaltungen in allen anderen Bundesländern findet der Veteranentag auch in Schwerin mit einem „bunten Rahmenprogramm“ statt.3 Sogar eine Gesprächsrunde im Innenhof des Landtags ist geplant. Zu Gast ist unter anderem Landtagspräsidentin Birgit Hesse (SPD), moderiert wird vom NDR.4 Organisiert wurde alles von Olaf Tünnemann. Er arbeitet als Demokratieberater bei der Diakonie in Westmecklenburg-Schwerin. Ihm war es wichtig, als Vertreter der Zivilgesellschaft den Tag zu veranstalten: „Es sollte selbstverständlich sein, dass wir als Gesellschaft den Veteran:innen für ihren Einsatz für Frieden, Demokratie und Freiheit danken.“5

Ganz anders sieht das eine Gruppe aus Antimilitarist:innen und Antifaschist:innen, die für den 15. Juni zwei Kundgebungen gegen den Veteranentag organisiert haben. Mit dabei sind auch Vertreter:innen der Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen und der Internationale der Kriegsgegner:innen. Sie kritisieren, dass in einer Gesellschaft mit einem vielfältigen Meinungsspektrum in Bezug auf das Militär ein nationaler Veteranentag eine offene Diskussion darüber erschwert. In Schwerin seien kritische Stimmen bei der Veranstaltung nicht mitgedacht worden. Der Veteranentag diene ihrer Ansicht nach „der Verharmlosung von Kriegsdiensten aller Art“. Auch Waffen werden an diesem Tag normalisiert. Ihrer Meinung nach sei „nichts an einer Waffe normal oder neutral“, stattdessen diene sie nur dem Zweck des Tötens.6

Tag für die Menschen und nicht Institutionen

Die Gruppe erklärt außerdem, dass sich ihr Protest dabei nicht gegen einzelne Personen richte, die „Positionen in einem Sach’spiel’ einnehmen“. Vielmehr kritisieren sie das „Schach’spiel’“, also den Krieg, an sich. Olaf Tünnemann betont, dass der Tag nicht einzelnen Organen, wie der Bundeswehr gewidmet sei, „sondern den Menschen“.

Doch wer sind diese Menschen?
Veteran:innen sind laut der Definition des Bundesministeriums der Verteidigung „wer als Soldatin oder Soldat der Bundeswehr im aktiven Dienst steht oder aus dem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist.“7 Das sind in Deutschland rund 10 Millionen Personen. Viele von ihnen sind nicht unbedingt freiwillige Veteran:innen. Denn auch alle Männer, die im Rahmen der Wehrpflicht eingezogen wurden, gehören dazu. Personen, die beispielsweise wegen extremistischen Gedankenguts unehrenhaft aus der Bundeswehr ausgeschieden sind, gelten nicht als Veteran:innen.

Laut Tünnemann sollen am Wochenende nicht nur ehemalige und aktive Soldat:innen zusammen kommen. Auch deren Familien, oder Menschen, die noch keinen Bezug zum Thema haben, sind eingeladen. Neben einem Gottesdienst und einem Veteranenmarsch wird es Infostände verschiedener Vereine geben. Die Veranstaltung soll zeigen, dass Veteran:innen ein Teil der Gesellschaft sind.

Von Seiten der Protestgruppe heißt es dagegen: „Die angemessenste und respektvollste Art, um Veteranen zu ehren, würde ganz einfach darin bestehen, keine weiteren mehr zu produzieren.“

Die Stadt Schwerin als Genehmigungsbehörde äußert sich neutral zur Veranstaltung. Für die inhaltliche Ausrichtung sowie das Programm sei der Organisator zuständig, für die „innere Sicherheit der Veranstaltung trage ebenso er die Verantwortung“.8

Braune Gedanken in Uniform

Denn noch eine Sache wird von Gegner:innen kritisiert. Der Veteranentag birgt das Risiko, dass Rechtsextreme aus Bundeswehr, Veteranen- und Reservistenverbänden an der Veranstaltung teilnehmen und sie zur Vernetzung nutzen. Immer wieder werden Fälle von Rechtsextremismus im Kontext der Bundeswehr bekannt. In MV ist seit seiner Enttarnung die rechtsterroristische Gruppe Nordkreuz ein prominentes Beispiel dafür. Die Mitglieder hatten geplant, am Tag X politische Gegner:innen zu töten.9 Ihr Anführer und Gründer Marco G. war Soldat und Mitglied in einem Reservistenverband.10 Kritiker:innen bezeichnen den Veteranentag deshalb auch als „Naziprepper-Tag“.11

Olaf Tünnemann nennt diese Bezeichnung „traurig und enttäuschend“. Laut ihm werde die Problematik einer Minderheit auf die gesamte Veteranenkultur übertragen. Er ist durch seine Arbeit als Demokratieberater darin geschult, offenen und versteckten Rechtsextremismus zu erkennen und zu thematisieren. Er sagt, dass die Bundeswehr aktuell „gut aufgestellt“ ist, was den Umgang mit Extremismus angehe. Zum Veteranentag werde es zudem einen Workshop geben, der thematisiert, wie Bundeswehr und Gesellschaft gemeinsam Demokratiebildung gestalten können. Wichtig sei es, laut Tünnemann, „Extremismus zu sehen, zu thematisieren und zu handeln“. Beim gesamten Veteranentag werden rechtsextreme Handlungen und Zeichen nicht toleriert. Personen, die dadurch auffallen, will der Organisator von der Veranstaltung verweisen.

Wie weit verbreitet extremistische Vorfälle in der Bundeswehr sind, ist strittig. Das liegt laut einer Analyse der Bundeszentrale für politische Bildung daran, dass das Verteidigungsministerium „den Zugang zu Untersuchungen in der Truppe kontrolliert und lange Zeit kein Interesse daran hatte, dieser Frage systematisch nachzugehen.“ Obwohl die Bundeswehr inzwischen umfangreiche Präventivmaßnahmen und Sanktionen gegen extremistische Einflüsse ergriffen hat, können extremistische Vorfälle nicht immer verhindert werden, so die Autor:innen. Wichtig sei deshalb ein transparenter Umgang mit Vorfällen und ein verstärkter Austausch zwischen Bundeswehr und Gesellschaft.12

Die Stadt rechnet für diesen Tag mit einem hohen Aufkommen an Besucher:innen in Schwerin. Denn neben dem Veteranentag laufen parallel dazu die Schlossfesttage sowie der Tag des offenen Landtags.13 Dennoch geht die Stadtverwaltung von einem friedlichen Verlauf aller angemeldeten Versammlungen aus, so eine Stadtsprecherin. Ob der Veteranentag zu einer jährlichen Veranstaltung in der Landeshauptstadt wird, stehe noch nicht fest.

  1. Bundestag (Hg.): Bundestag beschließt Ein­führung eines natio­nalen Veteranenentages, auf: bundestag.de (25.4.2024). ↩︎
  2. Bundestag (Hg.): Drucksache 20/11138: Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: Für eine umfassende Wertschätzung – Einen nationalen Veteranentag einführen
    und die Versorgung von Veteranen und deren Familien verbessern, auf: bundestag.de (23.4.2025). ↩︎
  3. veteranentag.de ↩︎
  4. Bundesministerium der Verteidigung (Hg.): Veteranentag, auf: bundeswehr.de. ↩︎
  5. Telefonat mit Olaf Tünnemann am 11.6.2025. ↩︎
  6. Nachricht von @stoergeraeusch_schwerin vom 12.6.2025. ↩︎
  7. von der Leyen, Ursula: Tagesbefehl zum Veteranenbegriff, auf: bmvg.de (26.11.2018). ↩︎
  8. E-Mail von Michaela Christen von der Pressestelle der Stadt Schwerin am 13.6.2025. ↩︎
  9. Schöler, Martin: Wiederbewaffnung rechter Prepper, auf: katapult-mv.de (25.3.2022). ↩︎
  10. Schmidt, Christina u.a.: Die Spur nach Güstrow, auf: taz.de (4.4.2020). ↩︎
  11. Antifawerkstatt (Hg.): Schießen, Saufen, Abhitlern? Die Veteranen-Vereine hinter dem Veteranentag, auf: antifawerkstatt.org (9.5.2025). ↩︎
  12. Steinbrecher, Markus u.a.: Extremismus in der Bundeswehr, auf: bpb.de (15.11.2024). ↩︎
  13. Telefonat mit Michaela Christen von der Pressestelle der Stadt Schwerin am 12.6.2025. ↩︎

Autor:innen

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

  • Bild von KATAPULT MV Redaktionsleiterin Martje Rust

    Redaktionsleitung

    Ist in Greifswald geboren, hat in Augsburg studiert und zog für den Lokaljournalismus wieder zurück nach MV.

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