Martin Sellner lockt völkische Rechte nach Schwerin
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Rechtes Vernetzungstreffen

Martin Sellner lockt völkische Siedler:innen nach Schwerin

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Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner hat am Mittwoch eine Lesung in der Landeshauptstadt Schwerin veranstaltet. Das Treffen verdeutlichte vor allem die Nähe seiner Identitären Bewegung zur völkischen Rechten in MV.

Wenn die Identitäre Bewegung (IB) auftaucht, dann geht es nicht ohne eine gewisse Inszenierung – besonders wenn ihr führender Kopf Martin Sellner beteiligt ist. So auch am Mittwochabend in Schwerin. Wer zur Lesung des österreichischen Rechtsextremisten wollte, musste sich vorher per Mail anmelden und bekam schließlich in einer geheimen Telegram-Gruppe einen Treffpunkt mitgeteilt. Von dort aus fuhren Shuttlefahrzeuge zum eigentlichen Ort der öffentlich angekündigten Veranstaltung: der Kantine Treffpunkt Nord. Dort hatte Anfang des Jahres auch ein Bürgerdialog der AfD stattgefunden.

Das in Schwerin gezeigte Versteckspiel wurde bereits im Februar dieses Jahres in der Nähe von Rostock aufgeführt. Sellner traf sich damals an einem Veranstaltungsort in Elmenhorst mit Vertreter:innen der AfD, Burschenschaftern sowie früheren NPD-Angehörigen und Mitgliedern von deren Nachfolgepartei Die Heimat. Doch wer ist Martin Sellner überhaupt?

Rechtsextremismus made in Austria

Der gebürtige Wiener wurde deutschlandweit bekannt als Redner beim sogenannten Potsdamer Treffen. Laut Recherchen von Correctiv stellte Sellner dort einen Plan vor, Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht assimilierte Staatsbürger“ aus Deutschland zu vertreiben. Der Name der Idee: Remigration.1 Mit seinem gleichnamigen Buch tourt er durch Deutschland. Doch statt klassischer Lesungen hält er bei seinen Veranstaltungen Vorträge. Darin erklärt er die zukünftigen Strategien der rechtsextremen Szene, um Einfluss zu gewinnen. So legen es zumindest Videos seines Vortrags in Elmenhorst nahe.2

Sellner ist in der rechtsextremen Szene gut vernetzt. Besonders eng mutmaßlich mit dem Greifswalder AfD-Politiker und Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Nikolaus Kramer. 2023 war der Österreicher Gast in Kramers Podcast.3 Dieses Jahr posierten die beiden gemeinsam bei einer Veranstaltung in der Wiener Hofburg.4

Terminüberschneidung bei der AfD

Dass trotzdem weder Nikolaus Kramer noch andere AfD-Landespolitiker:innen zum Treffpunkt Nord kamen, lag wohl unter anderem an einer terminlichen Überschneidung. Zeitgleich zur Lesung fand im Schweriner Schloss eine Landtagssitzung statt. Laut einem Bericht der Ostsee-Zeitung äußerte sich der Linken-Politiker Michael Noetzel im Vorfeld der Veranstaltung gespannt, „wie stark sich die Reihen der AfD-Fraktion lichten werden“. Kramer erklärte: „Es ist Plenarwoche – es wird kein Abgeordneter unserer Fraktion an abendlichen Veranstaltungen außerhalb des Plenums teilnehmen.“5

Auch ohne Beteiligung der Landes-AfD wurde Sellners Lesung von Vertreter:innen unterschiedlicher rechtsextremer Gruppierungen besucht. Die bundesweite Vernetzung der IB zeigte sich an ihren Mitgliedern vor Ort, die beispielsweise – wie auch Sellner – bereits beim Sommerfest der extremen Rechten in Schnellroda anwesend6 sowie 2019 bei einem Aufmarsch der IB in Halle (Saale) beteiligt waren.7

Noch bevor die ersten Besucher:innen anreisten, warteten bekannte Funktionäre der IB vor dem Treffpunkt Nord. Unteranderem Daniel Funke (rechts) und Philipp L. (links).
Noch bevor die ersten Besucher:innen anreisten, warteten bekannte Funktionäre der IB vor dem Treffpunkt Nord. Unter anderem Daniel Funke (rechts) und Philipp L. (links).

Bedeutung des Treffens für die Szene

Die Verflechtungen der IB mit der völkischen Rechten in MV wurden verdeutlicht durch die rege Teilnahme völkischer Siedler:innen. Diese reisten für Sellners Lesung etwa aus den Siedlungen bei Lalendorf und Groß Krams an. Einige der Teilnehmenden konnten dem rechtsextremen Jugendbund Sturmvogel zugeordnet werden. Einer der Organisatoren der Veranstaltung war Hermann Fröhlich, ein Gründungsmitglied der IB in Chemnitz, der aus einer völkischen Siedlung bei Koppelow stammt.

Aus Schwerin und Umgebung waren einige AfD-Sympathisant:innen anwesend, die in Mecklenburg und der Landeshauptstadt seit mehreren Jahren an Veranstaltungen der Partei oder Mahnwachen sogenannter besorgter Bürger:innen teilnehmen. Für die Schweriner AfD war die Stadtvertreterin Elke Jahn vor Ort.

Wie bedeutend das Treffen in Schwerin für die Vernetzung der rechtsextremen Szene ist, lässt sich schwer einschätzen. Sicher ist, dass es die Verbindungen der Identitären Bewegung und der AfD in andere, sonst eher öffentlichkeitsscheue, Kreise wie die völkische Rechte belegt.

Elke Jahn (AfD Schwerin) bei der Lesung von Martin Sellner (Identitäre Bewegung) in Schwerin.
Elke Jahn (AfD) auf dem Weg zur Lesung.
Völkische Siedler aus Lalendorf (Landkreis Rostock).
Völkische Siedler aus Niedersachsen.
Olaf N. (links) und sein Sohn Rudolf N. (rechts) sind ebenfalls aus Lalendorf angereist.
Olaf N. (links) und sein Sohn Rudolf N. (rechts), ebenfalls völkische Siedler aus Lalendorf.
Sonja Will-Vornweg (Mitte, blauer Rock) trat für das rechtsextreme Wählerbündnis Heimat und Identität letztes Jahr zur Kreistagswahl an. Sie wird der völkischen Siedlung in Groß Krams zugeordnet. Sven Wellenhausen (rechts) ist seit 2003 für die NPD aktiv.
Sonja Will-Vornweg (Mitte, blauer Rock) trat für das rechtsextreme Wählerbündnis Heimat und Identität letztes Jahr zur Kreistagswahl an. Sie wird der völkischen Siedlung in Groß Krams zugeordnet. Sven W. (rechts) ist seit 2003 für die NPD aktiv.
Die beiden IB-Aktivisten Hannes Krünägel (Mitte) und Hermann Fröhlich (rechts) begleiten Martin Sellner zum Veranstaltungsort. Fröhlich ist ein Bindeglied zwischen Identitären und Völkischen Siedlern.
Die beiden IB-Aktivisten Hannes Krünägel (Mitte) und Hermann Fröhlich (rechts) begleiten Martin Sellner zum Veranstaltungsort. Fröhlich ist ein Bindeglied zwischen Identitären und Völkischen Siedlern.

Reaktionen aus Stadt und Zivilgesellschaft

Schwerins Pressesprecherin schrieb vor der Veranstaltung, die Stadt habe erst durch Presseanfragen von dem Treffen erfahren: „Wir kennen Ort und Zeit der so genannten ‚Lesung‘ nicht. Wir planen auch keine Maßnahmen dazu.“8

Andreas Katz vom Aktionsbündnis Schwerin für alle gab im Vorfeld zu bedenken, dass es aufgrund der kurzfristigen Mitteilung des Veranstaltungsortes nur schwer möglich sein würde, Gegenprotest zu organisieren. Genauso wichtig wie Reaktionen auf Veranstaltungen, beispielsweise die von Sellner, sei laut Katz das „Eintreten für Demokratie und Zusammenhalt [und] die klare Ablehnung menschenfeindlicher Positionen im Alltag und im persönlichen Gespräch“.9

Am Mittwochabend versammelten sich dennoch rund 25 Personen gegenüber dem Treffpunkt Nord zu einer Kundgebung gegen die Lesung. Einsatzkräfte der Polizei sicherten beide Veranstaltungen ab.


Transparenzhinweis: Wir haben den Artikel am 13.10 um die Information ergänzt, dass auch Elke Jahn an der Lesung teilgenommen hat. Außerdem haben wir eine Gruppe völkischer Siedler fälschlicherweise der Siedlung in Lalendorf zugeordnet. Sie stammen allerdings aus der Region Niedersachsen. Das haben wir ebenfalls aktualisiert.

  1. Correctiv (Hg.): Geheimplan gegen Deutschland, auf: correctiv.org (10.1.2024). ↩︎
  2. @Aktionsgruppe Nord Ost: Martin Sellner Teil 3 Remigration und Bevölkerungsaustausch, auf: youtube.com (7.3.2025). ↩︎
  3. KATAPULT MV (Hg.): Die Neue Rechte zu Gast bei Nikolaus Kramer, auf: katapult-mv.de (12.3.2025). ↩︎
  4. @afd.kramer: Beitrag vom 9.3.2025, 17:40 Uhr, auf: facebook.com. ↩︎
  5. Ostsee-Zeitung (Hg.): Rechtsextremist Martin Sellner will in Schwerin auftreten: Linke fordert Verbot, auf: ostsee-zeitung.de (7.10.2025). ↩︎
  6. Dokunetzwerk (Hg.): Extrem rechtes Vernetzungstreffen in Schnellroda, auf: dokunetzwerk.org (13.7.2024). ↩︎
  7. Presseservice Wien (Hg.): Halle (Saale): Aufmarsch der „Identitären Bewegung“, auf: presse-service.net (20.7.2019). ↩︎
  8. E-Mail von Michaela Christen, Pressesprecherin der Stadt Schwerin, vom 7.10.2025. ↩︎
  9. E-Mail von Andreas Katz vom 3.10.2025. ↩︎

Autor:innen

  • Porträt von Lilly Biedermann Redakteurin Katapult MV in Greifswald

    Redakteurin in Greifswald

    Geboren und aufgewachsen in Sachsen. Ist zum Studieren vom tiefen Osten in den kalten Osten nach Greifswald gezogen.

  • Redakteur in Rostock

    An der Küste MVs aufgewachsen und wieder angekommen; feiert Wind- und Wetterfeste, wie sie fallen. Dazwischen Anthropologe und Kulturaktivist.

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