„Das Treffen hat gar nichts gebracht“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Ein ergebnisoffener Dialog sei mit den Spitzenpolitikern nicht zustande gekommen. Seit Monaten protestieren Verbände, Bürgerinitiativen und kommunale Vertreterinnen gegen den geplanten LNG-Ausbau vor Rügen. Ihr Begehren erreicht mit über 50.000 Unterschriften nun auch den Bundestag.
Doch auf politischer Ebene scheint bereits eine Entscheidung gefallen zu sein: Mukran soll LNG-Standort werden. Scholz und Habeck hätten argumentiert, dass der Bedarf an Flüssiggas weiterhin bestehe und nur Mukran als Standort für ein entsprechendes Terminal infrage komme, berichtet Müller-Kraenner. Trotz mehrerer Studien, die keinen zusätzlichen Bedarf in der Gasversorgung erwarten lassen, sollen Überkapazitäten geschaffen werden. „Man könne nicht vom besten Fall ausgehen, darum brauche es nach Ansicht der Bundesregierung einen Puffer“, resümiert der Bundesgeschäftsführer der DUH. Dieser Puffer sei jedoch großzügig ausgelegt.
Fehlende Kommunikation seitens der Politik
Kai Gardeja, Tourismusdirektor der Gemeinde Binz, zeigt sich nach dem Treffen ebenfalls enttäuscht: „Die Politik fährt nach wie vor vorsätzlich und ohne Rücksicht auf Verluste mit 120 km/h durch die 30er-Naturzone der Insel Rügen.“ Die Wendung des Bundeswirtschaftsministeriums hin zu bewusst geschaffenen Überkapazitäten kann er nicht nachvollziehen. Für Gardeja wäre es dagegen folgerichtig, dass LNG-Projekt vor Rügen ganz abzusagen. „Auch aus Klimaschutzgründen sind Investitionen in Anlagen und Infrastruktur für fossile Energieträger unverantwortlich.“
Matthias Dettmann, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga MV, bewertet das Treffen mit Scholz und Habeck ebenso negativ. Das ganze bisherige Verhalten der politischen Entscheidungsträgerinnen sehe er kritisch. Das gelte sowohl für die Kommunikation als auch für das „scheibchenweise Vorgehen“. Das Treffen habe keinen Austausch befördert, so Dettmann. Stattdessen hätten Kanzler und Wirtschaftsminister mit dem Standort Mukran „einen Plan aus der Schublade“ gezogen, den die Menschen vor Ort nun hinnehmen müssen. Das Treffen habe dazu dienen sollen, alle Beteiligten vermeintlich mitzunehmen, urteilt Dettmann, doch geschehen sei das nicht.
Auch Constantin Zerger, Bereichsleiter Energie und Klimaschutz der DUH, blickt kritisch auf die aktuelle Entwicklung. Mit dem LNG-Projekt stehe „die Politik auf Rügen vor einem Scherbenhaufen“. Es gebe viel Streit im Hintergrund, so Zerger. Nicht nur auf politischer Ebene, sondern auch zwischen den beteiligten Unternehmen, die im Fall einer Genehmigung den Ausbau umsetzen wollen. So kündige sich etwa der Rückzug von RWE an, während das norwegische Versorgungsunternehmen Stena einen Offshore-Standort mitten in der Ostsee vorschlägt. Das Unternehmen Regas, das bereits das LNG-Terminal in Lubmin betreibt, könnte dagegen in Mukran den LNG-Ausbau gestalten.
Politischer Wille allein schafft keine Tatsachen
Ein weiteres Argument seitens der Bundesregierung sei der Ausbau eigener Importkapazitäten in Ostdeutschland, um nicht von Nachbarländern abhängig zu sein, berichtet Müller-Kraenner. Dabei könnte das Gas auch von den LNG-Standorten Wilhelmshaven und Brunsbüttel nach Osten geleitet werden.
Fest steht: Solange der Standort Rügen nicht ins LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) aufgenommen ist, bleibt der Flüssiggasausbau auf der Insel vorerst nur eine politische Absichtserklärung. Am Montag, dem 8. Mai, wird das Thema dem Petitionsausschuss des Bundestages vorgetragen. Zerger erwartet, dass der Ausschuss die Petition „zur weiteren Behandlung im Bundestag annimmt“. Das würde eine mögliche Aufnahme Rügens als Standort in das LNGG weiter verzögern.
Sollte Rügen ins LNGG aufgenommen werden, so muss ein formaler Antrag im zuständigen Bergamt Stralsund für den LNG-Ausbau gestellt werden. Das Bergamt ist dem Landeswirtschaftsministerium nachgeordnet. Letztlich hat das Land Mecklenburg-Vorpommern und mit ihm Ministerpräsidentin Manuela Schwesig die Entscheidungsgewalt.
Constantin Zerger hofft, dass es so weit gar nicht kommt und das LNG-Projekt abgesagt wird. „Es gibt keine Einigkeit beim Standort (…), die Unternehmen streiten sich, der Protest wächst“, so Zerger. Unter diesen Umständen ließen sich die Pläne nicht realisieren.
Weiterführende Links:
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50.000 Unterschriften gegen LNG-Projekt vor Rügen
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