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LNG-Beschleunigungsgesetz

Hafen Mukran seit Jahren unzumutbar

In der vergangenen Woche stimmte der Bundesrat in einem Eilverfahren für die Aufnahme Rügens ins LNG-Beschleunigungsgesetz. Damit ist auf Bundesebene klar, dass im Hafen von Mukran Flüssiggas importiert werden soll. Ein Gutachten aus 2018 zeigt jedoch, dass der Hafen schlicht nicht geeignet ist.

Durch den Beschluss im Bundesrat zur Aufnahme ins Beschleunigungsgesetz am vergangenen Freitag könnte auf Rügen ein Flüssiggasterminal entstehen, für das weder Umweltverträglichkeitsprüfungen noch Bedarfsfeststellung notwendig sind. Der Widerstand gegen das Energieversorgungsprojekt ist groß. Nicht nur Umweltorganisationen und Zivilgesellschaft, sondern auch Wissenschaft und letztlich sogar die Landesregierung stellen sich gegen den LNG-Ausbau vor Rügen.

Mukran ist kein geeigneter Standort

Auch wenn Rügen ins Beschleunigungsgesetz aufgenommen wird, muss das Bergamt Stralsund als zuständige Behörde prüfen, ob der geplante Bau des Flüssiggasterminals und einer rund 50 Kilometer langen Pipeline von Mukran nach Lubmin genehmigungsfähig ist. Eine ähnliche Prüfung gab es bereits vor einigen Jahren für die Gasleitung Nord Stream 2. Im Planfeststellungsverfahren 2018 wurde der Hafen von Mukran als nicht zumutbar ausgewiesen, weil „keine Flächen in ausreichendem Umfang zur Verfügung [stehen], auf denen die Empfangsanlage errichtet werden kann“. Seitdem hat sich nichts verändert und auch in Zukunft sei „ein Wachstum in der Flächenausdehnung“ nicht geplant, erklärt der Landrat für Vorpommern-Rügen Stefan Kerth (SPD).

Auch die zu erwartenden Konflikte zwischen Gewerbebetrieben in Wassernähe und dem für Rügen bedeutenden Tourismus wurden damals als Gründe gegen einen Ausbau des Hafens angeführt. Dazu kommt die unzureichende Infrastruktur, bedingt durch die Insellage, eine Zerschneidung militärischer Übungsgebiete und starke Eingriffe in Natura 2000-Schutzgebiete. „Diese Nachteile einer Trassenführung über Rügen / Mukran sind so gravierend, dass diese Variante als unzumutbar ausscheidet“, heißt es abschließend.

Ablehnung auch aus Wissenschaft und Landespolitik

Bereits im Februar erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Christian von Hirschhausen, dass mit dem Projekt eine langfristig angelegte Infrastruktur errichtet werde, die einen Energieträger stützt, der mittelfristig keine Zukunft in Deutschland haben werde. Aus energiewirtschaftlicher Sicht sei das geplante Großprojekt weder sinnvoll noch notwendig, erklärt der Ökonom vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Es werde vorraussichtlich auch nicht zum Wasserstoffzentrum ausgebaut werden, weil die landseitige Infrastruktur für den Aufbau einer Schwerindustrie nicht ausreicht. 

Auch die Landesregierung lehnt in Person von Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) das Projekt mittlerweile ab. Denn der Bund mache aktuell keine verbindlichen Zusagen zur Förderung der Region. 

Bisher hatten sich die zuständigen Minister eher zurückhaltend zum Thema geäußert. Obwohl sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) weitgehend bedeckt hält, wird es für den Bund schwieriger, das Projekt ohne Zustimmung des Landes genehmigen zu lassen. Zugleich scheint es unwahrscheinlich, dass die Anlage – sollte sie gebaut werden – noch in diesem Jahr betriebsbereit sein wird.

Kommunen und Verbände gehen in die Offensive

Das Abstimmungsergebnis im Bundesrat hatten die Kommunen an der Ostküste Rügens ebenso wie Naturschutzverbände erwartet. So erklärte Reiner Geulen, Prozessbevollmächtigter der Gemeinde Binz, noch am gleichen Tag, eine einstweilige Anordnung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beantragen. Sie richte sich sowohl gegen die Verlegung der Pipelines von Lubmin nach Mukran sowie den Ausbau des Fährhafens von Mukran zur Anlandung von Flüssiggas. Ziel sei der vorläufige Baustopp des Projekts.

Auch eine fehlende umfangreiche Risikoüberprüfung und die Gefahr gezielter Anschläge führt der Anwalt als Gründe für die Ablehnung auf. Während die Bundesregierung erklärt, mit dem LNG-Ausbau einer Gasmangellage im kommenden Winter zuvorkommen zu wollen, hält Geulen dieses Argument für nicht tragbar: „Nach allen denkbaren Szenarien wäre eine Gaseinspeisung in das Festlandnetz nicht vor Anfang 2025 möglich.“

Für die geplante Flüssiggasanlage im Hafen von Mukran sei es außerdem notwendig, sowohl die Zufahrtsrinne auf etwa 16 Meter als auch das Hafenbecken zu vertiefen. Auch hier will Rechtsanwalt Geulen den Ausbau mit einer weiteren einstweiligen Anordnung stoppen. An der Kaikante hat der Hafen Mukran eine maximale Tiefe von zehn Metern. Sollte er für die LNG-Infrastruktur ausgebaut werden, würde eine enorme Menge Tonnage bewegt werden, die einerseits das Wasser trüben und auch die Stabilität der nahen Ufer beeinträchtigen könnte, erklärt Norbert Dahms von der Bürgerbewegung Wir für Rügen. Die Stützen der dem Hafenbecken vorgelagerten Mole seien etwa 15 Meter tief in den Gewässergrund gerammt. Es bestehe die Gefahr, dass sie weggespült werden, mutmaßt der Unternehmer.

Die Deutsche Umwelthilfe hat ebenfalls Rechtsmittel eingesetzt und Einwendungen an das zuständige Bergamt Stralsund übermittelt. Das geplante fossile Großprojekt vor Rügen habe schwerwiegende Folgen für die sensiblen Ökosysteme in der Ostsee.

Ablehnung in der Bevölkerung weiter hoch

Die Menschen auf Rügen lehnen das LNG-Großprojekt weiterhin mehrheitlich und kompromisslos ab. Sie fühlen sich nach wie vor von politischen Entscheidungen übergangen. Bürgerinitiativen, Gemeindevertreter und -vertreterinnen äußern sich ähnlich. „Die Insel und das, was auf dem Spiel steht, sind nicht verhandelbar“, sagt etwa Nadine Förster, Gemeindevertreterin in Göhren. Dass das angelandete Flüssiggas mindestens zu einem Teil mit der umstrittenen Frackingmethode gefördert wird, kritisiert sie ebenfalls.

„Ich sehe nichts Positives und auch keine Sachargumente“, äußert Norbert Dahms von Wir für Rügen. Die Menschen auf der Insel hätten in der Vergangenheit die Trassen der Offshoreanlagen und Nord Stream 1 und 2 mitgetragen, „aber dieses Ding (das LNG-Terminal, Anm. d. Red.) brauchen wir nicht.“

Die verschiedenen Akteure sind in ihrem Protest gegen den Flüssiggasausbau auf Rügen vereint. Darüber hinaus sind sie nicht immer einer Meinung. Sowohl verschiedene Interessengruppen als auch politische Strömungen sämtlicher Richtungen nutzen den Protest als öffentliche Plattform. Sie wollen weiterhin Einfluss geltend machen, auch wenn sie sich von der Bundespolitik nicht gehört fühlen.

Weiterführende Links:

Auf Rügen: ja, mit Rügen: nein

Anhörung im Petitionsausschuss für 8. Mai geplant

50.000 Unterschriften gegen LNG-Projekt vor Rügen

Haushaltsausschuss sperrt Milliarden für LNG-Ausbau

Vorgesehene Milliarden reichen nicht

Erste Vorbereitungsarbeiten haben begonnen

Verbände bringen Einwände gegen Großprojekt vor

Kritik an Überkapazität und drohenden Gefahren

LNG-Projekte sind überdimensioniert

Deutsche Umwelthilfe legt Widerspruch ein

Protest gegen LNG-Terminal

Widerstand gegen Großprojekt vor Rügens Küste

Nach dem Hering kommt die Pipeline

Quellen

  1. Deutsche Umwelthilfe (Hg.): Rügen raus aus dem LNG-Beschleunigungsgesetz! Deutsche Umwelthilfe und Bürgerinitiative fordern Ablehnung im Bundesrat, auf: presseportal.de (3.7.2023).
  2. Das energierechtliche Planfeststellungsverfahren des Bergamts Stralsund zum Betrieb von Nord Stream 2 liegt der Redaktion vor.
  3. E-Mail von Sandra Lehmann, Pressesprecherin des Landrats Kerth, vom 3.7.2023.
  4. NDR (Hg.): Weiteres geplantes LNG-Terminal vor Rügen sorgt für Kritik, auf: ndr.de, Min. 3:10, (14.2.2023).
  5. NDR (Hg.): LNG auf Rügen: Wirtschaftsexperten stellen Ergebnisse vor, auf: ndr.de (28.6.2023).
  6. NDR (Hg.): Landesregierung von MV stellt sich gegen LNG-Pläne auf Rügen, auf: ndr.de (7.7.2023).
  7. Pressemitteilung der Rechtsanwälte Geulen und Klinger vom 7.7.2023 liegt der Redaktion vor.
  8. Ebd.
  9. Ebd.
  10. Fährhafen Sassnitz (Hg.): Hafenplan, auf: mukran-port.de.
  11. Deutsche Umwelthilfe (Hg.): Meeresschutzgebiete in Gefahr: Deutsche Umwelthilfe legt Einwendung gegen Planänderung für LNG-Anbindungsleitung vor Rügen ein, auf: duh.de (6.7.2023).

Autor:in

  • Freier Redakteur

    Ist KATAPULT MVs Inselprofi und nicht nur deshalb gern am Wasser. Nutzt in seinen Texten generisches Femininum.

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